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Prosa

Interessantes

Ab und an versuche ich auch mal ein paar "Inspirationen" zu Papier zu bringen - kurze Gedanken und kurze Geschichten. 

Abschied vom Sommer
Ein herrlicher Sommer neigt sich dem Ende zu. Die Tage der letzten Wochen waren geprägt von stundenlangem Sonnenschein - einem Sommer, der seinem Namen alle Ehre machte, der sich auszeichnete durch warme Sommernächte, durch Schwimmbadbesuche, durch Grillfeste, durch alle Annehmlichkeiten, die warme Tage mit sich bringen.
Mittlerweile schlägt man morgens die Augen auf und wird nicht, wie man es bislang bei einem sonnigen Sommertag gewöhnt war, von der Sonne geweckt. Nur langsam wird die Dunkelheit von der Morgendämmerung abgelöst. Allein schon diese Dunkelheit lässt das Aufstehen mühevoll erscheinen. Man muss sich dazu zwingen, aus dem warmen Bett zu kriechen.
Schon der Blick aus dem Fenster lässt einen frösteln. Graue Nebelschwaden ziehen durch die Täler und künden den endenden Sommer an. Die Sonne hat mit jedem Tag mehr Mühe, sich gegen die ausbreitende Kühle durchzusetzen. Immer später am Tag wird die Nacht- und Morgenkühle von den immer schwächer werdenden Sonnenstrahlen erwärmt.
Abends kann man sich nicht mehr an der warmen oder lauen Sommernacht erfreuen. Gemütliches Sitzen im Freien ist in den Abendstunden nur noch mit entsprechend dicker Kleidung möglich und wird schließlich ganz eingestellt. Das Leben verlagert sich wieder allmählich von draußen ins Haus. Es erfordert schon etwas Überwindung, diese Umstellung vorzunehmen. Die erste Tage, die man wegen schlechtem Wetter in den vier Wänden verbringen muss, nerven. Wochenlang vom Sommer verwöhnt, fällt die Umstellung umso schwerer.
Die Tage werden merklich kürzer. Die Morgenstunden sind jeden Tag ein paar Minuten länger von Dunkelheit geprägt und die Abendstunden gehen immer früher in das nächtliche Dunkel über.
Das Bild der Dörfer ist geprägt von emsiger Erntearbeit. Die Gaben der Felder werden allerorts eingefahren, die Früchte der Bäume werden geerntet und ein Vorrat für den Winter wird angelegt. Holz für die kalte Jahreszeit wird eingeholt, zerkleinert und gelagert. 
Alle Aktivitäten sind geprägt von Vorsorgemaßnahmen - Vorsorgemaßnahmen, die die Natur allen Lebewesen als Daseinsgrundlage mitgegeben hat. Wer nicht vorsorgt, wird nur schwerlich überleben. Diese Bestrebungen waren früher noch bestimmender als heute für das t„gliche Leben. Aber auch heute noch, in einer Zeit der sozialen Netze und Sicherungen sind die Menschen von dieser naturgegebenen Haltung geprägt.
Aber auch die Natur beginnt langsam, sich auf die kältere Jahreszeit einzustimmen. Einzelne Blätter der Bäume nehmen schon eine herbstliche Färbung an. 
Bald wird die gesamte Natur von dem überwältigenden Farbenspiel des Herbstes geprägt sein. 
Bald werden die ersten Vögel sich sammeln und zum jährlichen Zug nach Süden rüstern.
Die Tiere, die in unseren Breiten überwintern, sorgen sich um das Überleben im Winter. Vorräte werden angelegt und in sicheren Verstecken deponiert. Winterfeste Höhlen werden eingerichtet. Nur noch ein paar Wochen und die ersten Tiere begeben sich in den Winterschlaf. 
Die ganze Natur scheint im Aufbruch begriffen. Einem Aufbruch, der dazu bestimmt ist, ein Überleben im strengen Winter zu gewährleisten.
Bald werden die ersten Nachtfröste den nahenden Winter begrüßen - eine Jahreszeit, die von der Natur aus durch Ruhe gekennzeichnet ist. Der Winter dient zum einen als Erholungsphase von den Aktivitäten des übrigen Jahres, zu anderen ist er auch ein Härtetest. In der Natur überleben nur diejenigen, die entsprechend gerüstet sind; diejenigen die vorgesorgt haben; diejenigen, die die notwendige Kraft und Stärke mitbringen. Die Natur zeigt sich gnadenlos - ein natürlicher Ausleseprozess.  

Fassungslos
Über der reifbedeckten Landschaft wölbt sich ein wolkenloser Himmel. 
Seit einigen Tagen ist der Winter eingekehrt. Bitterkalte Nächte werden tagsüber von der nur noch schwach wärmenden Sonne abgelöst, die jedoch keine Temperaturen mehr über dem Gefrierpunkt zustande bringt.
Die Kinder freuen sich auf den Winter und warten seit Wochen sehnsüchtig auf den ersten Schnee, der möglichst bald die Landschaft bedecken und alles mit einem weißen Kleid umhüllen soll. Bislang wurde dieser Wunsch noch nicht erfüllt. Aber immerhin. Wenigstens von den Minustemperaturen her kündigt sich der Winter an. Der See inmitten des großen Parks ist mit einer Eisschicht bedeckt. Auf dieser Eisschicht tummeln sich einige Kinder.
Trotz des Hinweisschildes, das vor der noch tückischen Eisfläche warnt, die nach ein paar Frosttagen noch keine sichere Dicke erreicht hat, hat sie der Reiz der winterlichen Möglichkeiten auf das Eis gezogen. Zuerst tastend betraten sie die Eisfläche. Mit forschendem und zweifelndem Schritt suchten sie die Festigkeit des Untergrundes zu ertasten. Nachdem diese Versuche nicht negativ verliefen, wurden sie immer mutiger und waghalsiger. Nunmehr tummeln sie sich unbekümmert und ausgelassen auf der Eisfläche. Schlitternd erkunden sie den glatten, und noch unberührten eisigen Grund. 
Immer mehr Kinder zieht es hin zu diesem Vergnügen. Auf den Wegen rund um den See stehen Erwachsene, die ihren Sonntagsspaziergang für Augenblicke unterbrechen und sich an dem ausgelassenen Treiben erfreuen. 
Plötzlich wird das ausgelassene Treiben von einem Schrei unterbrochen. Etwas abseits des allgemeinen Gedränges sieht man eine rote Winterjacke aus einem Loch in der gebrochenen Eisfläche auftauchen. Haltsuchende Armen greifen nach der gebrochenen Eisdecke, die jedoch jedem Griff nachgibt und etwas weiter aufbricht. Ein Kind versucht, aus der misslichen Situation herauszukommen und sich auf das Eis zu ziehen. Abrutschend erlebt es, wie der ganze Körper wieder in das eisige Wasser eintaucht und für Sekunden verschwindet, um dann wieder auftauchend einen erneuten vergeblichen Versuch zu unternehmen. Die Anstrengungen werden immer verzweifelter aber auch kraftloser.
Die übrigen Kinder sind von der Eisfläche verschwunden. Sie haben Schutz in den Armen der herumstehenden Erwachsenen gesucht und gefunden. 
Augenblicke vergehen. Die Situation verlangt nach einem schnellen Handeln. Die nach Hilfe rufenden Kinderschreie fordern Aktionen. Doch - das Bild bleibt unverändert. Die Erwachsenen stehen mit fassungslosem Geicht um den See herum. Jeder wartet auf das Eingreifen seines Nachbarn. Jeder weiß, dass etwas unternommen werden muss, fühlt sich aber nicht angesprochen. Jeder vertraut auf den anderen. 
Endlich - nach viel zu langem Zaudern löst sich eine Frau aus der Masse. Sie legt sich auf das Eis und rutscht langsam in Richtung der Bruchstelle. Alles scheint zu langsam zu gehen. Zentimeter für Zentimeter nähert sie sich dem Kind. Die ausgestreckten Arme versuchen eine Kinderhand zu fassen. Nach einigen vergeblichen Versuchen gelingt es der Frau, einen Arm zu fassen. Langsam und vorsichtig zieht sie das zitternde Kind aus dem Wasser und rutscht mit ihm langsam aufs rettende Ufer zu.
Noch immer verharren die übrigen Erwachsenen regungslos am Ufer des Sees. Sie erscheinen in Erfurcht zu erstarren hinsichtlich des Geschehenen. Jetzt erst, als die Frau mit dem Kind das Ufer fast erreicht hat, kommt Bewegung in die Masse. Einige laufen auf die Frau zu und helfen dem Kind und der Frau schließlich ans Ufer. 
Auch das bedrückende Schweigen ist plötzlich unterbrochen von vielen durcheinander sprechenden und rufenden Stimmen. Vereinzelt wird sogar applaudiert. Man hat das Gefühl, als sei dies der Ausgleich für die vorhergehende Untätigkeit. Einige eilen auf die Frau zu, klopfen ihr anerkennend auf den Rücken und scheinen auf diese Weise teilhaben zu wollen an dieser Rettungsaktion. Die, die vorher untätig und staunend herumstanden, bersten nunmehr vor Aktivitäten. 
Die Frau aber nimmt schweigend das Kind in den Arm, zieht es ganz dicht an sich und versucht aus diesem um das frierenden Paar und vor Nässe triefenden Kind sich gruppierenden Massenauflauf zu entkommen. Ihr geht es auf einmal nur darum, dem Gedränge zu entkommen, ins rettende Warme zu kommen. Die Umherstehenden schauen ihr nach und lassen sie verdutzt ziehen - nur schwer verstehend, dass man sich ihren doch so teilnehmenden Zuwendungen derart abrupt entzieht. Viel zu sehr sind sie mit sich selbst beschäftigt.
Noch Stunden später sieht man Menschen um den See herumstehen, redend, analysierend, sich selbst darstellend. 
Von der eigentlichen Retterin und den besonderen Umständen der Rettung spricht kaum noch jemand.

Geborgenheit
Du schläfst.
Plötzlich hörst Du ein Wimmern und leises Weinen.
Du bist mit einem Schlag hellwach.
Dein Kind im Kinderzimmer nebenan weint.
Du eilst ins Kinderzimmer.
Dort im Bett liegt Dein Kind, zusammengerollt wie eine Katze vor dem Ofen.
Tränen rollen aus seinen geschlossenen Augen.
Aus seinem Mund ertönt ein Jammern und Wimmern
Du legst Dich zu ihm ins Bett und nimmst es in den Arm.
Sprichst leise und beruhigend auf es ein.
Tröstest.
Aus dem Weinen wird langsam ein Schluchsen.
Das Kinder öffnet die Augen, schaut Dich an.
Es Kind ist nicht in der Lage, zu erzählen.
Hat es ein böser Traum aufgewühlt - wahrscheinlich.
Du streichelst ihm die Wangen - fährst ihm mit der Hand über die Haare.
Auch das Schluchsen wird leiser bis es letztlich aufhört.
Die Atemzüge werden ruhiger.
Es schmiegt sich an Deinen Körper wie ein Katze.
Es fängt leise an zu summen und schläft schließlich - wieder ein.
In Deinen Armen.
Ruhig - zufrieden - in Frieden.

Gedanken - Ausbrechen
Gedanken geistern durch meinen Kopf. 
Irgendwie habe ich das Gefühl, als sei der übliche Lauf meiner Dinge aus dem festen Gefüge geraten. 
Und doch - so sehr ich mich anstrenge - irgendwie ist es nicht greifbar - nicht nachvollziehbar. 
Immer wieder versuche ich, meine Gefühle, meine Gedanken in geordnete Bahnen zu lenken. 
Doch sträubt sich in mir alles, diesen ansonsten logischen und nachvollziehbaren Wegen zu folgen. 
Es scheint als müsste ich ausbrechen - 
ausbrechen aus der Erwartungshaltung meiner Umwelt - 
ausbrechen aus den festgefahrenen Positionen - 
ausbrechen aus dem ewig gleichen - 
ausbrechen aus den Situationen, die keine Überraschungen mehr bieten, die ich schon oftmals durchlebt habe, die mir einen Zwang auferlegen, der mich einengt wie mit stählernen Ketten, mir manchmal die Luft zum freien Atmen nimmt.
Irgendwie habe ich den Kontakt zur Realität, die solche Auswüchse, solches Ausscheren normalerweise nicht zuläst, verloren. 
Immer wieder versuchen Teile meines Ichs diese ansonsten vorherrschende Realität wieder in den Vordergrund zu schieben. 
Irgend etwas in mir sorgt jedoch dafür, dass diese Bestrebungen nicht richtig Fuß fassen, dass sie wie an einem Panzer abprallen, dass sie abgeschirmt werden.
Mein Hirn signalisiert mir immer wieder, dass die unsicheren Wege, auf die ich mich begeben habe, jenseits jeglicher Vernunft und absolut risikobehaftet sind. 
Doch - diese rationalen Gesichtspunkte haben in meiner derzeitigen Gefühlswelt momentan kein Chance. 
Zu erfüllend ist das Gefühl des Ausschermüssens -
auszuscheren aus dem festgelegten Rahmen -
auszuscheren aus den Erwartungen meiner Umwelt, meiner Umgebung -
auszuscheren vor meinen früheren, üblichen, gewöhnlichen Ich.
Zu verlockend ist der Gedanke, 
sich zu lösen von aller Vernunft -
andern zu zeigen, dass man noch nicht vollständig vereinnahmt ist -
sich leiten zu lassen nur von dem Gefühl - von einem Gefühl das mich übermannt hat, das vordringt in den letzten Winkel meines Ichs, einem Gefühl, dem ich mich gern hingebe - weil es mir unter anderem sagt, 
DU BIST NOCH DU.

Gewinn- und Verlustrechnung
31. Dezember - Erstaunen!
Erstaunen? - Schon wieder ein Jahr vorüber?
Es ist seit dem letzten Sylvester doch noch gar nicht so lange her.
Das alte Jahr wird Revue passieren lassen.
Was hatte ich mir eigentliche im letzten Jahr für das neue Jahr vorgenommen?
Vage Erinnerungen.
Was habe ich realisiert? 
Habe ich überhaupt Anstrengungen unternommen, die Vorsätze zu realisieren? 
Habe ich an der Realisierung auch festgehalten, wenn unerwartete Schwierigkeiten aufgetreten sind oder habe ich mich schnell entmutigen lassen?
Oder waren die Schwierigkeiten vielleicht sogar willkommener Anlass, sich von der Realisierung der guten Vorsätze abzuwenden?
Es wird eine Gewinn- und Verlustrechnung aufgestellt.
Positiv??? Negativ???

Hinterhofidylle
Ich sitze am Fenster und schaue hinaus.
Zehn Meter mir gegenüber ragt eine graue, seelenlose Betonwand in den Himmel - rechts und links von meinem Fenster genau dasselbe. 
Diese Betonwände sind geschmückt mit Fenstern. 
Fenster jedoch, die genauso schmucklos sind wie die Wände, in die sie eingelassen wurden.
Keine Blumen schmücken die Fensterbänke - keine Farbe lockert das eintönige Grau auf. 
Die Gardinen der Fenster in den Wohnungen passen sich in ihrer Eintönigkeit der Trostlosigkeit des Betons an.
Ich beuge mich vor und kann einen kleinen Blick auf den blauen Himmel erhaschen. 
Nur einige Quadratmeter des ansonsten unendlichen Himmels können meine Augen erfassen. 
Von meinem Fenster aus gesehen verliert er jegliche Unendlichkeit - er beschränkt sich auf diesen kleinen Ausschnitt.
Meine Augen wandern von der Höhe in die Tiefe. 
Nur mit Mühe kann ich den von vier grauen Betonwänden eingegrenzten Platz erkennen. 
Das Grau seines Asphaltes passt sich dem Grau der umgebenden Wände fast nahtlos an. 
Kein Baum, kein Strauch unterbricht diese triste Eintönigkeit.
Ich versuche mir den Platz vorzustellen, wenn er mit Bäumen und Sträuchern gesäumt wäre, muss aber diesen Versuch mit der Erkenntnis aufgeben, dass in dieser Umgebung für das Grün der Natur kein Platz ist.
Doch plötzlich fällt mit etwas ins Auge. 
Ich schaue genauer hin. 
Tatsächlich! 
Unten im Hof spielen Kinder. 
Von hier oben und in dieser Umgebung sehen sie aus wie Wesen von einem anderen Planeten - total fehl am Platze. 
Ab und an dringen auch Fetzen von Kinderstimmen und -lachen an mein Ohr und unterbrechen die sich der Umgebung angepasste Geräuschkulisse, die sich aus der Monotonie eines nie abreisenden Autoverkehrs, unterbrochen von zeitweiligen Hubkonzerten, zusammensetzt.
In dieser unmenschlichen und kinderfeindlichen Umgebung spielen Kinder - auf diesem Platz spielen Kinder. 
Auf diesem Platz! 
Auf diesem Platz, an dessen Zufahrt ich erst vorhin das zur Umgebung passende Schild gesehen und gelesen habe: 
"Spielen im Innenhof verboten!"

Hoch hinaus
Schritt für Schritt tasten sich die Füße den steilen Hang hinauf. Jeder Schritt endet in einem forschenden Suchen nach einem festen Halt, um dann das gesamte Gewicht des Körpers zu verlagern. Alle Muskeln werden gefordert und sind auf's Äußerste gespannt. Die Atemluft wird aus den fast berstenden Lungen gepresst, um diese dann wieder mit frischer Luft zu füllen. Der Pulsschlag ist erhöht - das Herz rast in einem verschärften Galopp.
Die immer dünner werdende Luft und die Anstrengung fordern ihren Tribut. Der Körper hat seinen eigenen Rhythmus übernommen und setzt gleichmäßig wie eine Maschine Schritt vor Schritt, kaum noch vom Kopf her gesteuert. Die langsam immer mehr merkbaren Anstrengungen und damit verbundenen Schmerzen, die in Muskeln und Lunge auftreten, werden in den Hindergrund gedrängt, das Gehirn registriert kaum noch den immer stärker auftretenden Schmerz, dieser taucht ab in den Hintergrund - im Vordergrund steht das Fortkommen. Die Augen sind nur noch waagerecht auf den Hang gerichtet. Der Blick wird nicht mehr nach oben geführt, um nicht vor der noch zu meisternden Höhe zu erschrecken und zu vielleicht noch kurz vor dem Ziel zu kapitulieren. Auch auf den Blick nach unten wird geflissentlich verzichtet, um nicht einen Schwindel aufgrund der bereits erreichten Höhe heraufzubeschwören.
Die Gedanken gelten nur noch dem Jetzt - dem jeweiligen Schritt, den man hinter sich bringt. Alles andere ist aus dem Gedächtnis gestrichen - eine gewisse Leere hat Raum gegriffen - eine Leere, ohne die die Strapazen nicht zu bewältigen wären.
Nebel hat die Gedanken umwoben, alles erscheint einem dumpf. Nur dann und wann blitzen Gedanken durch das Gehirn - Gedanken über den Sinn der übernommenen Mühen. Sobald solche Gedanken im Kopf herumtoben, scheinen die Kräfte zu schwinden. Sobald man sich selbst Fragen über das WIESO und WARUM stellt, scheinen die Zweifel überhand zu gewinnen - Zweifel an dem Ziel - Zweifel an dem Erreichen dieses Zieles - Zweifel an der eigenen Kraft, den eigenen Fähigkeiten - Zweifel an sich selbst.
Doch - wie von überirdischer Hand beleitet, werden die Zweifel beiseite geschoben. Der Kopf wird wieder frei - frei, um wieder einzutauchen in die Quälerei. Sobald die Zweifel am Sinne der Unternehmung wieder gewichen sind, sobald dieser alles umhüllende Nebel im Hirn wieder Raum gegriffen hat und dieses Hochgefühl erzeugt, wird der Körper trotz der Anstrengungen wieder von einem guten Gefühl ergriffen - dem Gefühl, den eigenen Körper zu fordern, seine Kräfte unter Beweis zu stellen, an seinen Leistungsgrenze zu gelangen.
Die Monotonie des Schreitens, der Bergaufklettern hat mich wieder voll und ganz umfangen. Das gegenwärtige Sein ist wieder geprägt von dem Gedanken "vorwärts, vorwärts" zu kommen, das gesteckte Ziel zu erreichen. Die Zweifel und Schmerzen sind wieder vollständig in den Hintergrund getreten.
Nach Stunden anstrengendem Kletterns endlich rückt der Gipfel in greifbare Nähe. Nur noch einige Meter vor mit glänzt das Gipfelkreuz in der Sonne. Die letzten Schritte lassen alle Mühen vergessen. 
Ein absolutes Hochgefühl ergreift den ganzen Körper. Selbst die Lunge, die kurz vorher noch bis zum Bersten beansprucht wurde, scheint wieder Raum zu haben, scheint plötzlich erholt, losgelöst von allen vorhergehenden Anstrengungen. 
Das Herz, Minuten vorher noch im hohen Pulsschlag durch die Anstrengung gefordert, ist nunmehr erfüllt von freudiger Erregung - von der Erregung, das gesteckte Ziel nach all dieser Quälerei erreicht zu haben.
Die letzten Schritte gereichen unter den schwierigen Bedingungen fast zum Sprint - die Schritte beschleunigen sich ganz automatisch, ohne dass eine besondere Initiative ergriffen werden muss. Die Sucht, nach dem stundenlangen Steigen endlich den Gipfel zu erreichen, erfüllt jeden Zentimeter des Körpers. Im Unterbewusstsein werden die letzten Schritte gezählt - wie bei einem Countdown, um dann endlich den Jubelseufzer auszustoßen - geschafft!!!
Vergessen ist die ganze Anstrengung, die Zweifel, die mich zwischendurch bewegten. Alle Last ist abgelegt, der Körper auf einmal ist frisch wie am Anfang - nur noch ausgefüllt durch ein unheimlich gutes Gefühl.

Mauer
Ich wache auf und stelle fest, dass ich auf einer grünen, mit bunten Blumen übersäten Sommerwiese liege und dort wohl eingeschlafen bin. Über mir erstreckt sich ein wolkenloser blauer Himmel.
Ich richte mich auf und stütze mich auf meine Ellbogen. Mit noch schläfrigen Augen nehme ich langsam meine Umgebung wahr. Unweit von mir erstreckt sich eine graue Mauer zum Himmel. Meine Augen wandern nach rechts - ich blicke nach links - Mauer - so weit das Auge reicht.
Ich blicke zurück und sehe eine riesige Menschenmenge. Ebenfalls eine Mauer - eine Mauer aus Menschen. Sie stehen Mann an Mann, Frau an Frau, Kind an Kind - in ihrer Gesamtheit vergleichbar der Mauer aus Stein vor mir. Ich blicke in die Gesichter der Menschen. Sie haben einen traurigen Ausdruck - traurig, hoffnungslos, grau - grau wie Stein der Mauer. Kein Laut, kein Ton ist zu hören - Totenstille.
Ein paar Meter neben mir steht ein Baum. Ich nähere mich ihm - schaue zu ihm empor. Ich versuche, an ihm hoch zu klettern. Mit Mühe erreiche ich den untersten Ast. Von hier erreiche ich nun leicht die nächsten Äste und gewinne Ast für Ast an Höhe. Einige Augenblicke später stehe ich in der Baumkrone und kann das Geschehen um mich herum von hier oben betrachten.
Ich schaue wieder zurück und erblicke wieder die Menschenmenge. Nunmehr sehe ich nicht nur die Menschen in den vorderen Reihen. So weit mein Auge sehen kann, erstreckt sich die Menschenmenge und vermischt sich übergangslos mit dem Horizont.
Ein bedrückendes Gefühl liegt mir im Magen und ein Kloß im Hals. Ich versuche zu schlucken - der Kloß sitzt fest.
Mein Blick richtet sich nach vorn. Schräg unter mir kann ich die Mauer aus Stein wieder sehen. Wie ein riesig langer Regenwurm schlängelt sie sich durch die Landschaft. Doch - von hier oben hat sie schon viel von ihrer Unheimlichkeit verloren. Sie wirkt kleiner - nicht mehr ganz so gewaltig - nicht mehr ganz so unüberwindbar.
Ich blicke über die Mauer. Mein Atem stockt und mein Herz scheint einen Augenblick stillzustehen. Es gehen einige Augenblicke ins Land, bis mein Verstand das Geschehene erfasst und verarbeitet. Ich habe das Gefühl, in einen Spiegel zu schauen. Menschen, auch hier, so weit das Auge reicht - Mann an Mann, Frau an Frau, Kind an Kind - diesseits wie jenseits der Mauer - soweit das Auge reicht - dazwischen - ein Mauer, hoch, lang, aus Stein, unüberwindlich.
Fassungslos registriert mein Auge und erst Momente später mein Verstand die Situation.
Mit unsicheren Beinen klettere ich Ast um Ast tiefer und stehe Augenblicke später wieder auf der Wiese. Noch einmal schaue ich zurück. Nichts hat sich verändert.
Ich schließe die Augen - schüttele heftig den Kopf - ein Traum, es muss sich um einen Traum handeln - einen Alptraum, aus dem ich erwachen muss. Ein inneres Muss lässt mich die Augen wieder öffnen. Langsam, als erwachte ich von diesem Traum. Langsam gewöhnen sich meine Augen wieder an die Helligkeit - keine Veränderung, die Mauern aus Menschen und Steinen sind weiterhin vorhanden.
Ich wende mich zur Mauer aus Stein. Erst mit langsamen, zögernden Schritten, dann immer schneller nähere ich mich der Mauer. Endlich stehe ich unmittelbar vor ihr. Ich schaue an ihr hoch - sie ist immer noch hoch - doch meine Angst vor ihr ist irgendwie verflogen. Sie hat für mich ihre überwältigende Dimension verloren.
Meine Hände greifen zur Mauer. Tasten sie Stein für Stein ab. Meine Finger graben sich in einem Mauervorsprung - umfassen spielerisch einen Stein. Ganz unbewusst ziehen sie an dem Stein. Mit Überraschung registriert mein Verstand, dass sich der Stein bewegen lässt, zwar nur ganz schwer, aber immerhin. Meine Kraftanstrengung verstärkt sich. Mit noch größerer Kraftanstrengung lässt sich der  Stein aus der Mauer ziehen.
Ich lege ihn neben mir ab und schaue durch die Maueröffnung. Jenseits der Mauer kann ich nunmehr das Menschenmeer erkennen. Ungeduldig greife ich nach dem nächsten Stein. Auch er lässt sich mit etwas Kraftanstrengung entfernen. Immer schneller greifen meine Hände nach den Steinen und ziehen sie aus der Mauer. Das Loch in der Mauer wird größer und größer - ich kann bereits hindurch schlüpfen.
Plötzlich - Bewegung kommt in die Menschenmenge jenseits der Mauer - erst einzelne, dann immer mehr laufen auf die Mauer zu. Ich blicke über meine Schulter hinweg zurück. Auch hier kommt Bewegung in die Menschenmenge. Die ersten sind bereits an der Mauer angekommen. Sie greifen nach den Steinen - Stein für Stein verkleinert sich die Mauer. Augenblicke später ist die Mauer verschwunden.
Ich schaue mich um. Die Menschen um mich herum sind nicht mehr grau - ihre Buntheit entspricht der bunten Vielfalt der Sommerwiese. Die Teilnahmslosigkeit in ihren Gesichtern ist verschwunden - Lachen und optimistische Züge kennzeichnen ihre Gesichter. Stimmengewirr erfüllt die Luft. Die Menschen tanzen und liegen sich gegenseitig in den Armen.
Aus meinem Innersten ist die Anspannung gewichen. Ich selbst fühle mich frei gelöst und gut - einfach gut, gut, gut, gut, gut, gut, gut, gut, gut, gut ....

Plötzlich
Ich sehe eine grüne Sommerwiese, die in saftigem Grün erscheint und mit bunten Blumen übersät ist.
Kinder toben durch die Wiese, schlagen Purzelbäume und tollen herum. 
Sie tanzen im Reigen und singen Kinderreime dazu. 
Einige pflücken Blumen und fassen sie zu großen, bunten, wunderschönen Sträußen zusammen. 
Einige von ihnen habe Kränze aus Blumen geflochten - Blume ist an Blume gereiht. 
Diese Blumenbänder schmücken als Kränze die Stirne dieser Kinder und bilden so in ihrer Buntheit einen wunderschönen Kontrast zu den hellen und dunklen Haaren der Kinder.
Über diesem friedlichen Bild strahlt die Sonne aus einem strahlendblauen Himmel.
Die Stille ist erfüllt von dem Gezwitscher der Vögel und dem Summen der vielen Insekten und Schmetterlinge, die von Blüte zu Blüte fliegen.
Plötzlich!!
Aus heiterem Himmel taucht ein Schatten auf. 
Sekundenbruchteile später ein ohrenbetäubender Krach. 
Ein Tiefflieger!! 
So unerwartet wie er gekommen ist, ist er hinter den Bäumen des angrenzenden Waldes wieder verschwunden. 
Das Auge war kaum in der Lage, ihn zu erkennen.
Zurück bleiben Kinder, deren Gesichter bleich und von Fassungslosigkeit gezeichnet sind. 
Aus ihren Händen sind die zuvor gepflückten Blumen entfallen. 
Sie sind für den Augenblick zu Salzsäulen erstarrt - keines Wortes, keiner Regung fähig. 
Dieser Lärm-Überfall erfolgte so überraschend, dass sie noch nicht einmal in der Lage waren, die Hände zu den Ohren zu führen, um den infernalischen Krach abzuschwächen.
Überraschend!! Überfallartig!!
Die gesamte Natur scheint gelähmt. 
Für den Augenblick - während der Knall langsam verhallt - herrscht totale Stille. Fast Todesstille!! 
Jegliches Leben scheint erstorben. 
Kein Kinderlachen und -geschrei, kein Vogelgezwitscher, kein Insektengebrumm.
Erst Sekunden später löst sich langsam die allgemeine Lähmung. 
Zögernd summen wieder die Insekten, zwitschern die Vögel.
Doch wo bleibt das Kinderlachen? 
Es scheint für alle Ewigkeit aus diesem Bild gebannt. 
Doch halt! 
Dort ist erstes, wenn auch noch leises und zögerndes Kindergeschrei wieder zu hören. 
Auch Lachen stellt sich hier und dort wieder ein. 
Doch scheint mir die ursprüngliche Ungezwungenheit, die befreiende Fröligkeit zu fehlen. 
Er herrscht immer noch Bedrückung hinsichtlich des Geschehens und kaum Fassbaren.

Sinn des Lebens
Ich sehe eine Einkaufsstraße in einer Stadt.
Was sehe ich? Einen Ameisenhaufen?
Ich schaue genauer hin. 
Nein, es sind Menschen. 
Rastlos, achtlos und grußlos hasten sie aneinander vorbei. Hasten?!
Woher? Wohin? Warum?
Ich sehe einen Supermarkt. 
Was sehe ich? 
Ich sehe einen Riesenparkplatz - 
gefüllt bis zum letzten Platz. 
Aus den Türen des Supermarktes quellen Menschen. 
Sie schieben etwas vor sich her. 
Was? Einen Einkaufswagen, der überquellt von Waren. 
Gibt's morgen nicht mehr?
Ich sehe eine Autobahn.
Was sehe ich?
Ich sehe eine Blechlawine. 
Stehend oder im Schritt fahrend quälen sich Auto's durch die Landschaft - 
gleich einem riesigen Bandwurm. 
Wohin wollen sie? Vor was flüchten sie? 
Ach ja. Erster Ferientag - Urlaub. 
Ein faszinierendes Wort - Urlaub - 
Erholung. Sieht so Erholung aus?
Ich sehe eine Landstraße.
Was sehe ich?
Blaulichter - Polizei - Krankenwagen. 
Über dem ganzen Geschehen kreist ein Rettungshubschrauber. 
Was ist passiert?
Unfall - Schwerverletzte - Tote. 
Warum? Ein Autofahrer hat wegen überhöhter Geschwindigkeit die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren und ist mit einem entgegenkommenden Fahrzeug frontal zusammengestoßen. 
Überhöhte Geschwindigkeit? 
Warum? Termine! Keine Zeit! Zeit ist Geld! 
Jetzt ist Zeit genug!
Ich sehe ein Altenheim.
Was sehe ich?
Betonwände - Fertigbauweise. 
Daneben ein kleiner Garten. 
In dem Garten steht eine kleine Bank. 
Auf der Bank sitzt ein alter Mann. 
Allein - er starrt starr und mir farb- und ausdruckslosen Augen vor sich hin.
Auch hier ist Zeit ein Problem. 
Er hat zuviel davon. 
Er wartet. Worauf? 
Auf die Mahlzeiten - auf den nächsten Tag - 
auf den Tod. 
Alleingelassen in einer unmenschlich gewordenen Zeit und Welt. 
Abfallprodukt einer Konsumgesellschaft. 
Werde ich auch so enden?
Ich sehe eine Industrieanlage.
Was sehe ich?
Hohe Schornsteine, aus denen dunkler Rauch entweicht. 
Rauchende Schlote bedeuten Aufträge, Arbeit, Beschäftigung, Geld. 
Direkt angrenzend eine Siedlung. 
Die Hauswände sind grau - grau wie der Rauch der Schornsteine.
Grün - Fehlanzeige! 
Die einigen wenigen Bäume haben ein lichtes Blätterkleid oder sind bereits abgestorben.
Wo Industrie sich ausbreitet, hat die Natur alle Rechte verloren.
Ist der Mensch nicht auch ein Teil der Natur?

Stille
Ich fahre mit meinem Wagen schon seit einer Stunde gemächlich durch ein einsame Waldlandschaft. Links und rechts der gerade für ein Auto ausreichend breiten Straße zieht ein dichter Wald von Bäumen und Sträuchern am Auto vorbei. 
Keine Monotonie macht meinen Blick schläfern, sondern ich bin hellwach durch die unterschiedlichen und vielfältigen farblichen Eindrücke, die auf mich einwirken. Selbst das Grün des Waldes taucht in so unterschiedlichen Farbschattierungen vor mir auf, dass das Auge immer wieder von neuen durch eine neue Farbnuance fasziniert wird.
Baumabschnitte werden von Hängen abgelöst, die von Sträuchern mit den unterschiedlichsten und prachtvollsten Farben bewachsen sind - ein einzigartiges und mannigfaltiges Farbenspiel.
Endlich taucht an der Straße eine Ausbuchtung auf. Ich lenke meinen Wagen dorthin und stelle den Motor ab. Langsam öffne ich die Tür und steige aus.
Wie ein Schlag trifft mich diese absolute Stille - eine Stille, obwohl das Singen der Vögel, das Plättschern eines Baches, das Knacksen von Unterholz durch sich dort bewegende Tiere zu hören ist - und doch - mein Ohr, mein Gehirn registrieren diese Geräusche nicht als störend, sondern als Mosaiksteinchen, die sich problemlos und passend in ein gesamtes natürliches Gebilde einfügen. Diese Geräusche werden als angenehm empfunden, als Beweis für das Zusammenspiel und Intaktsein der natürlichen Zusammenhänge. In ihnen ist eine natürliche Harmonie zu erkennen, wie in einem Orchester, in dem die einzelnen Stimmen aufeinander abgestimmt sind und beim Fehlen einer einzigen Stimme die Harmonie beeinträchtigt wird, der Gleichklang gestört ist.
Und doch - meinem Ohr gegenüber ist dieser Zustand etwas außergewöhnliches, etwas fremdartiges. Ihm erscheint diese natürliche Stille nicht als gewöhnlich, sondern so ungewöhnlich, dass sie gesondert auffällt, dass sie als außergewöhnlich, untypisch registriert wird.
Erschreckt wird mir bewusst, wie weit wir uns schon von den natürlichen Zusammenhängen entfernt haben. 
Zu sehr haben wir uns gewöhnt - an die von Menschen geschaffenen Geräusche, die unser tägliches Leben begleiten und bestimmen. 
Zu sehr haben wir uns schon damit abgefunden, dass unser Ohr belästigt wird von dem Gebrumm und Geheul der Motoren, die uns bewegen, an die besondere, erschreckende Melodie des täglichen Straßenverkehrs mit seinem Gequitsche, Gehupe und Gebrumm.
Zu sehr haben wir akzeptiert, dass das Geräusch von Industrieansiedlungen an unser Ohr dringt.
Zu sehr nehmen wir in Kauf, dass der ohrenbetäubende und uns und unsere Kinder bis ins Mark erschreckende Lärm im Tiefflug dahinrasender Flugzeuge unsere Gesichter schmerzverzerrt erscheinen lässt.
Zu sehr scheinen wird uns unterzuordnen der besondere Hektik unserer Zeit und dem damit verbundenen, uns schon "natürlich" erscheinenden Geräuschpegel.
Ja, so sehr haben wir uns all diesem ergeben, dass, wenn wir wirklich einmal nur mit den Geräuschen der Natur konfrontiert werden, wir aufhorchen, etwas ungewöhnliches vermuten, wir irgendwie das Gefühl haben, irgendetwas sei nicht in Ordnung, irgendwie würde etwas stillstehen, in seinem "natürlichen", uns doch so vertrauten Lauf gestört.
Ja, so weit sind wir gekommen.

Trübe
Ich wache auf und mir fällt ein: Sonntag - endlich Sonntag, ein Tag, auf den man sich die ganze Woche gefreut hat - Sonntag, ein Tag, an dem man abschalten will, die Mühen und Plagen des Alltages in die Ecke schieben will - Sonntag, ein Tag, an dem man endlich wieder einmal tun will, was man sich schon lange einmal vorgenommen hat, wofür man aber immer wieder keine Zeit gefunden hat - Sonntag, einfach ein Tag, auf den man sich freut, an dem man mit der Familie etwas unternehmen will und kann.
Die Stimmung ist dementsprechend gut. Ich warte auf die ersten morgendlichen Sonnenstrahlen, die eigentlich durch das Fenster in das Zimmer dringen müssten. Nichts von alledem. Eine leichtes Rauschen dringt stattdessen an mein Ohr. Ich stehe auf und gehe zum Fenster. Meine Augen erblicken nur nebliches Grau. Durch dieses Grau sind nur schemenhaft die Nachbarhäuser zu sehen. Dichter Regen trommelt auf die Dächer. Alles sieht ziemlich trostlos aus. Mein Stimmungsbarometer sinkt augenblicklich entsprechend der allgemeinen Wetterlage. Alles was ich mir für den Tag vorgenommen habe, ist plötzlich aus meinen Gedanken verschwunden - irgendwie ist eine Leere entstanden. Ich rappele mich auf und sage mir insgeheim, dass man trotzdem noch etwas aus diesem Tag machen kann. Dieser Gedanke macht mir Mut.
Ich bereite das Frühstück vor. Mittlerweile sind auch die anderen aus den Federn gekrochen und finden sich am Kaffeetisch ein. Kaum sitzen die Kinder am Frühstückstisch, gibt es schon den ersten Streit. Ich versuche zu schlichten, muss aber feststellen, dass auch bei mir eine gereizte Stimmung die Oberhand gewonnen hat. Alle sind irgendwie mürrisch und überempfindlich.
Na ja, sage ich mir, auch bei schlechten Wetter kann man einiges unternehmen und den Tag in guter Stimmung verbringen. Vielleicht findest Du etwas Ruhe, um in einem guten Buch zu lesen.
Pustekuchen.
Die Kinder quengeln herum. Die vorgeschlagenen Spiele finden nicht ihren Gefallen. Sie können sich einfach nicht damit abfinden, dass das Geplante plötzlich nicht mehr durchführbar ist, dass man für die Realisierung dieser Planungen einfach besseres Wetter benötigt - man kann nicht, wie geplant, mit dem Fahrrad raus ins Grüne fahren und picknicken, man kann keine Spiele im Freien durchführen. 
Alle Alternativprogramme stoßen auf keine Gegenliebe. Jegliche Einsicht für die Launen der Natur sind verloren gegangen. Es herrscht nur noch Hader und Zauder. Jede Kleinigkeit gerät zum Streitobjekt.
Mittlerweile bin ich selbst derart geladen, dass auch bei mir die Sachlichkeit verloren gegangen ist. Der Sonntag, der in den Planungen so ausgeglichen und stimmungsvoll vorhanden war, wird auf einmal so trübe wie das Wetter.
Abends liege ich mit einem unguten Gefühl im Bett und bin letztendlich froh, dass diese Tag endlich zur Neige geht.  

Vollkommen
Ich sitze auf der Terrasse. Meine Augen erblicken die mich umgebenden Berge, deren Höhe bis weit hinunter ins Tal von Wolken verhangen und meinen Blicken entzogen sind.
An mein Ohr dringt das monotone Rauschen der Gebirgsbäche, die sich aus schwindelnder Höhe in die Tiefe stürzen - über Felsen und Steine sich einen Weg bahnen, auf der Suche nach dem nächsten Fluss, in den sie sich letztendlich übergeben, den sie in der Gemeinschaft mit anderen Bächen erst zu einem Fluss in seiner jeweiligen Größe werden lassen und mit dem sie dann in einem See oder Meer einzumünden.
Diese natürliche Geräuschkulisse des fließenden Wassers wird nicht unterbrochen von den unnatürlichen Geräuschen, die der Mensch auf der Suche nach seiner Selbstverwirklichung erzeugt, wie z.B. durch Geräusche von Industrieansiedlungen. Nur ab und zu wird diese trotz der natürlichen Geräusche doch empfundene Stille unterbrochen von einem für den Menschen scheinbar unverzichtbares Verkehrsmittel, dem Auto. Wie ein Fremdkörper wirkt das von ihm ausgehende Motoren- und Fahrgeräusch auf das sich mittlerweile seiner Umgebung angepasste menschliche Ohr.
Diese Geräusche unterbrechen die natürliche Harmonie der Geräusche - Geräusche, die entstehen aus dem natürlichen Fluss des Wassers. Dieses monotone Geräusch verträgt lediglich eine Unterbrechung durch den Gesang der Vögel, der sich problemlos in das Geräuschbild integriert, der einfach dazugehört und der nicht störend, sondern als eigentliche Melodie der Natur empfunden wird. Der Gesang der Vögel bestimmt die Lieder und die monotonen Geräusche des Wassers bilden die Begleitung.
Führt man sich diese Kontraste vor Augen, die Harmonie der Natur und die menschlich geschaffenen Dinge, wird einem deutlich, wie sehr sich der Mensch in seinem Streben nach Mehr und Größerem, nach Vollkommenem, von der Natur entfernt. Er gliedert sich als eigentlich doch natürliches Wesen nicht in den natürlichen Ablauf ein, sondern er versucht, diesen zu verändern. 
Er schafft Dinge, die der Natur widersprechen, die im Gegenteil die Natur missbrauchen, verändern, zerstören. 
Er ist erst dann zufrieden, wenn er die natürliche Umgebung nach seinen Vorstellungen verändert, die natürliche Wildheit und Unberechenbarkeit begradigt, betoniert und asphaltiert hat. 
Die natürliche Einfachheit, die doch in dem natürlichen Zusammenspiel so vielseitig und kompliziert, aber alles in allem doch aufeinander abgestimmt ist, wird ersetzt - durch monotone Straßen und Autobahnen, die der heutigen Hetze und Hast Genüge tun, in dem sie dem Lieblingsspielzeug und "Götzen" Auto Platz schaffen - durch Industrieansiedlungen, die sich oft nicht den natürlichen Gegebenheiten anpassen, sondern wie aufgepfropft wirken, die durch ihre Abwässer die ursprünglich sauberen Gewässer, durch ihre Abgase die ursprünglich saubere Luft verschmutzen, durch ihre Geräusche die ursprünglich natürliche Stille verändern.
Der Mensch schafft und schafft - und als schaffender Mensch wird er es sicherlich auch schaffen, alles zu verändern, zu zerstören - zerstören die Flora und Fauna, die ihm in ihrem Recht auf Leben gleichberechtigten Lebewesen und letztendlich auch sich selbst - sich selbst auch, da er bestrebt ist, möglichst alles vollkommen zu machen und vollkommen ist es, so wie es jetzt scheint, erst, wenn auch er als unvollkommenes Wesen verschwunden ist.  

Vorfreude
Der letzte Arbeitstag steht an - der letzte Arbeitstag vor dem langersehnten Urlaub. Ein Urlaub, der in die Hektik des Arbeitsalltages Abwechslung und Entspannung bringen soll. Das übrige Jahr ist geprägt von der Vorfreude auf diese Zeit - eine Zeit, in der man endlich "ich" sein und alles, was einen belastet, abschütteln will.
Ehe es soweit ist, ist man geprägt von noch mehr Hektik als sonst schon üblich - Hektik der Planungen und Vorbereitungen.
Die Planungsphase ist gekennzeichnet vom Suchen nach dem geeigneten Ziel - ist geprägt von den unterschiedlichsten Erwartungen und Zielsetzungen. 
Soll es nun ein Erholungsurlaub oder eine Bildungsreise sein - soll man diese Komponenten kombinieren. Hat man sich auf einen Erholungsurlaub festgelegt, stellt sich die Frage, ob das pure "Relaxen" im Vordergrund steht, oder ob auch sportlichen Aspekte eingebracht werden sollen. 
Hat man sich auch hier festgelegt, stellt sich als nächstes die Frage des Zieles. Fährt man irgendwohin, wo man schon einmal war, wo man Freunde und Bekannte schon gewonnen hat und auf Bewährtes trifft oder sucht man etwas Neues - neue Bekanntschaften, neue Eindrücke, neue Erfahrungen. Bevorzugt man die Sonne und die See, oder treibt es einen in die Berge, von deren Dimensionen man schon immer fasziniert war.
Auch der Bildungsurlaub hat seine Tücken. Welchen Epochen gilt das besondere Interesse. Weicht dieses eigene Interesse stark von den Interessensgebieten der Mitfahrer ab. Findet man in einem solchen Fall einen Kompromiss, der alle Seiten zufrieden stellt.
Hat man endlich die Phase der Planung abgeschlossen, sich auf die Art des Urlaubes festgelegt und das Ziel bestimmt, stellt sich auch noch die Frage, ob man als Individualist oder als Pauschaltourist auf Reisen gehen will. Auch die Probleme werden gelöst - man bucht und hat sich festgelegt.
Nachdem diese alles mehr oder weniger reibungslos erledigt wurde und man sich buchungsmäßig festgelegt hat, kehrt für etliche Wochen Ruhe ein - man kann sich wieder voll und ganz der Vorfreude widmen und so die Belastungen des Alltages besser ertragen. 
Kurz vor Reisebeginn wird diese Ruhe wieder gestört - unterbrochen von den bevorstehenden Vorbereitungen. Was muss vorher noch alles erledigt werden - sind die Pässe noch gültig, was muss an sonstigen Dokumenten noch beigebracht werden, wie muss die Ausrüstung aussehen, was fehlt mir noch zu einer vollständigen Ausrüstung. Die fehlenden Dinge werden gekauft und alles Notwendige zusammengestellt. 
Man wundert sich, was man plötzlich alles als notwendig erachtet - vor einem liegt ein Berg von Dingen, die notwendig erscheinen. Am Tag vor Reiseantritt versucht man, dies Ausgewählte unterzubringen. Die Koffer werden herbeigeholt und bepackt. Schnell sind sie voll und der Berg ist noch nicht vollständig abgebaut. Alle diese Dinge können doch doch nicht alle unbedingt notwendig sein, schießt es einem in den Kopf. Es wird aussortiert. Diskussionen mit den Mitreisenden kommen auf, da sie eine andere Auffassung von der Notwendigkeit haben. Erste Streitereien und Stimmungseinbrüche sind zu verzeichnen und müssen geschlichtet werden. Nach dem ersten Durchlauf versucht man sich zum zweitenmal und muss feststellen, dass man noch immer nicht alles unterbringt. Es wird weiter sortiert. Nachdem man dies ein paarmal gemacht hat, kann man die Koffer, wenn auch mit Mühe, schließen. Schweißgebadet blickt man auf das vollendete Werk.
Eine letzte Nacht vor der großen Reise verbringt man im eigenen Bett. Schlaf will sich nur schwer einstellen. Eine gewisse Nervosität ist vorhanden. Man hat das eigentlich doch nicht begründete Gefühl, dass man vor etwas Entgültigem steht. Nach langem Wachliegen findet man endlich doch etwas Schlaf, erwacht jedoch wieder sehr früh und ist schon auf den Beinen. Eine letzte Hektik wird noch an den Tag gelegt - es wird überlegt, ob man an alles gedacht hat - etwas hat man bestimmt vergessen - es ist doch immer so.
Endlich ist es soweit. Es geht los. Man fährt los, fliegt los ... in den Urlaub - und findet sich wieder ... in Staus ... in Warteschlangen auf den Flughäfen.
Wird es dennoch ein Urlaub - ein Urlaub, wie man ihn sich erhofft und erträumt hat ????????????????????????????????????????????????

Weihnachten ?!?!?!
Wochen vor dem eigentlichen "Fest" beginnt die Aufregung. Aufregung?! Erwartung?!
Erwartung auf was - auf wen?
Hektik !!
Vorweihnachtszeit - Zeit der Besinnung - Zeit der Einkehr!
Besinnung auf was - auf wen?
Hektik !!
Die Menschen hasten durch überfüllte Straßen - überfüllen Städte - überfüllen Geschäfte.
Einkehr?! Besinnung?!
Hektik !!
Was schenke ich wem? Wieviel gebe ich aus - für wen? Was wünsche ich mir - was bekomme ich? Als Gegenleistung?
Hektik !!
Vorweihnachtszeit - Zeit der Besinnung - Zeit der Einkehr.
Was ist heute noch wesentlich - die materiellen Dinge?
Kann das der eigentliche Sinn sein? Kann man Freude nur noch durch materielle Dinge vermitteln - oder gar erkaufen?
Hektik !!
Heiligabend! Die Geschäfte sind geöffnet bis Mittag. Die allerletzten Geschenke werden erhascht; die letzten Einkäufe getätigt.
Hektik !!
Bescherung! Die Festtagstafel ist überfüllt. Die Gabentische biegen sich unter der Last der Geschenke. Viel bringt viel?!
Schnell ein paar Lieder - aus Tradition?!
Tradition?! Erinnerung?! Erinnerung - an was - an wen? Ach ja! Da war doch 'mal was. Natürlich! Aber was hat das heute noch mit Weihnachten zu tun - ist doch durch den obligaten Kirchbesuch abgedeckt - oder? Na denn!
Hektik !!
Sturm auf die Geschenke. Aufgerissen - zur Kenntnis genommen - abgehakt.
Das war's - War's das?! Zurück bleibt ein flaues Gefühl.

Weihnachten
Dunkelheit durchzieht die Straßen. In dem nassen Asphalt spiegelt sich tausendfach der Lichterglanz der über die Straßen gespannten Sternenketten. Auch die weihnachtlich geschmückten Schaufenster der schier endlosen Kaufhäuser mit ihren überquellenden Fensterdekorationen werfen ihren Glanz auf die nassen Gehwege.
Menschenleer und verlassen liegen die Straßen unter einem wolkenverhangengen Himmel, aus dem in unregelmäßigen Abständen sich ein Regenschauer ergießt.
Es ist Heiligabend. In den Wohngegenden sind die Fenster der Wohnzimmer erleuchtet. In ihnen haben sich die Familien versammelt, um im Kreise der Lieben das Weihnachtsfest zu feiern. Besinnlich stehen sie um den nicht wegzudenkenden Weihnachtsbaum herum. Traditionsgemäß werden einige Lieder gesungen, in Erinnerung an die gute alte Zeit und das gute alte Weihnachtsfest.
Jeder scheint geborgen - ein Hauch von Frieden scheint für diese Tage über der ganzen Welt zu liegen.
Doch halt. Durch die menschleere und verlassene Einkaufsstraße schlurft einsam ein Mann. Dann und wann bleibt er vor einem Schaufenster stehen. Mit leeren und ausdrucklosen Augen schaut er ihn sie hinein. Doch scheint er nichts wahrzunehmen. Jedes Mal ein bisschen mehr zusammengesunken wendete er sich von dem jeweiligen Schaufenster ab, um ein paar Schritte weiter zu gehen und wiederum vor einem Fenster stehen zu bleiben. Irgendwie ohne Orientierung scheint er nicht zu wissen, wohin er sich wenden soll.
Nach für ihn nicht enden wollenden Minuten biegt er in die sonst so belebte Straße ab, in der sich ansonsten ein buntes und unterhaltsame Nachtleben abspielt. Doch auch hier das gleiche Bild. Menschenleer und verlassen liegt die ansonsten so belebte Straße vor ihm. Die Fenster der Kneipen und Gaststätten sind dunkel. Doch da - ganz verlassen lacht ihn in der hintersten Ecke der Straße ein beleuchtetes Fenster an. Die erstarrt scheinenden Züge seines Gesichtes erhellen sich. Um seinen Mund spiegelt sich ein kaum merkbares Lächeln. Seine Schritte werden merklich schneller und bestimmter und scheinen endlich ein Ziel gefunden zu haben. Je näher sich der Mann dem erleuchteten Fenster kommt, desto mehr gehen seine ehemals langsamen, schleppenden Schritte in einen leichten Laufrythmus über. Endlich steht er vor dem hellen Fenster. Plötzlich scheinen ihnen wieder Zweifel zu ergreifen. Nur zögernd wollen seinen Beine die fünf Schritte zur Tür der Gastwirtschaft zurücklegen. Auf seiner Stirn sind wieder zweifelnde Falten zu erkennen. Auch seine Gesichtszüge sind wieder düsterer geworden. Seine Hand streckt sich zögernd aus, um den Türgriff zu umfassen und zucken kurz vorher wieder zurück. Einige Minute gehen ins Land, in denen der Mann wie zur Salzsäule erstarrt vor der Tür steht. Sein Arm ist unwirklich ausgestreckt und scheint in dieser Haltung zu verharren. Plötzlich geht einen Rucken durch den geduckten Körper des Mannes - er strafft sich und seine Arm vollzieht nun endlich eine energischer Bewegung zum Türgriff hin. Seine Hand ergreift ihn und drückt ihn nach unten. Mit fragendem Gesicht zieht er an der Türe - Tatsächlich, sie lässt sich öffnen. Er zieht sie ganz auf und schaut in die Kneipe. Verlassen zieht er den Kellner hinter der Theke stehen. Sonst scheint niemand hier zu sein. Im Gesicht des Mannes lässt sich die plötzliche Enttäuschung ablesen. Seine Augen wandern durch den großen Raum. Doch - dort in der Ecke ist noch jemand. Eine junge Frau sitzt einsam und verlassen an einem Tisch. Vor ihr ein angetrunkenes Glas Bier, dem man ansieht, dass es schon eine ganze Weile unberührt dort steht.
Der Mann steuert an diesen Tisch zu. "Entschuldigung" sagt er, "darf ich mich zu ihnen setzen". Erschrocken und wie auch einem Traum aufgeschreckt, blickt die Frau hoch. Einige Minuten vergehen, bis sie die Situation zu erfassen scheint. Endlich spiegelt sich ein leichtes Lächeln ihrem Gesicht. "Ja bitte sehr" entgegnet sie. Der Mann lässt sich dies nicht zweimal sagen. Schnell zieht er seinen Mantel aus und setzt sich an den Tisch. Ohne lange zu überlegen, rollen die Worte über seine Lippen. "Ich habe es in meinem einsamen Zimmer nicht ausgehalten - an diesem Abend. Ich bin ziellos durch die Straßen gelaufen. Der Geruch von Weihnachtsbraten drang an meine Nase. Brennende Weihnachtskerzen sah ich an den Weihnachtsbäumen in den Wohnungen. Fetzen von Weihnachtsliedern drangen aus den Wohnungen - Lachen, freundliches Stimmengewirr. Und ich, einsam und verlassen auf der Straße. Ich hatte der Gefühl, ausgeschlossen zu sein, in einer anderen Welt zu leben - und das - an diesem Fest der Liebe, wo jeder geborgen sein soll im Kreis seiner Lieben." Genauso plötzlich wie sein Redeschwall begonnen hatte, bricht er nun ab. Seine Blicke sind starr auf die Tischplatte gerichtet. Minutenlang ist kein Geräusch zu hören, nur ab und zu dringt ein Geräusch an ihre Ohren, das der Kellner beim Spülen von Gläsern erzeugt.
Endlich schaut die Frau auf. "Mir ging es genauso. Ich wohne als Studentin im Studentenwohnheim. Die Weihnachtsfeste in den vergangenen Jahren zu Hause waren immer so trostlos. Jedes Jahr die gleiche Leier. Immer auf gute Familie und Tradition. Immer dieses Althergebrachte. Deshalb wollte ich diese Weihnachten nicht nach Hause fahren. Ich wollte sie zusammen mit anderen im Wohnheim verbringen. Doch - alle sind nun doch nach Hause gefahren. Ich war alleine in meiner Bude und bekam die absoluten Katzenjammer. Es ist schlimm, alleine im Zimmer zu sitzen und zu wissen, dass man überall in den Wohnzimmern zusammensitzt und feiert. An einem solchen Tag kann man Einsamkeit nicht ertragen. Es ist ein furchtbares Gefühl, dann doch nicht dabei zu sein. Die früheren Weihnachtsfeste können noch so trostlos gewesen sein. Wenn man nicht dabei ist, sondern alleine irgendwo herum sitzt, vermisst man sie doch. Deshalb bin ich genau so wie Sie durch die Straßen geirrt, um dann hier zu landen - und war, wie sie sehen, wieder alleine. An einem solchen Tag verirren sich nicht viele Menschen in einer Kneipe."
"Ja sie haben recht" entgegnet der Mann. "Ich bin dieses Jahr geschieden worden. Meine Kinder sind bei meiner Frau und sitzen jetzt wahrscheinlich vor dem Weihnachtsbaum. Ich bin in eine andere Stadt gezogen, um etwas Abstand zu gewinnen. Das Ganze war so schon schwer genug für mich. Und dann so ein Abend. Die Bekannte, die ich hier mittlerweile kenne, haben eine eigene Familie und sind natürlich dort. In so einer Situation ziehen einem natürlich die frühen Weihnachtsfeste vor den Augen vorbei. Man erinnert sich an die erstaunten Gesichter der Kinder, an die im nachhinein doch sinnlichen und schönen Feste. Jetzt wo man nicht mehr dabei ist fühlt man sich ausgeschlossen, im Innern ist es trostlos und leer. Weihnachten ohne Familienanschluss, da kann man nur sagen, nein danke."
Die Hand der Frau greift über den Tisch und legt sich auf seine "Frohe Weihnachten" sagt sie und in ihren Gesichtzügen ist doch so etwas wie weihnachtlicher Glanz zu sehen. "Danke ebenfalls" entgegnet der Mann und schaut ihr dankbar in die Augen.

Wende
Es ist ein Tag, der schon ein paar Wochen hinter den spektakulären Ereignissen liegt, die die ganze Welt in Aufregung versetzten. Täglich flimmerten die Bilder von den sich überschlagenden und kaum mehr kontrollierbaren Neuerungen über die Bildschirme, so dass man an allen Ecken der Welt hautnah dabei sein konnte.
Wie gesagt, an diesem Tag, befinden wir uns in einer Kneipe direkt neben der Mauer, in die früher die Besucher eingekehrt sind, die einen Mauerbesuch als obligatorischen Programmpunkt einer jeden Berlinreise hinter sich gebracht hatten und Beruhigung ihrer aufgewühlten Gefühle bei ein paar Bier suchten, um ihr Missfallen über die unhaltbaren Zustände den jeweiligen Nachbarn mitzuteilen.
In dieser Kneipe also sitzen an einem Tisch zwei Personen, deren Treffen und Kennenlernen zufällig und erst durch die politischen Ereignisse der Vergangenheit möglich wurde. Sie entstammen der Nachwuchsgeneration der jeweiligen Systeme, die sich in der Vergangenheit misstraurig und oft auch feindselig gegenübergestanden hatten.
"Hör mal" sagt der eine, "ist es nicht eine tolle Sache, dass wir hier einfach in einer Kneipe zusammensitzen, unser Bier trinken und uns über Gott und die Welt unterhalten können, ohne dass man Angst haben musst, dass einem aus einem falschen Wort der Strick gedreht wird."
"Woher willst du das denn wissen" entgegnet der andere "du hast so was doch gar nicht kennen gelernt. Du meinst aus ein paar Fernsehbildern deine Erfahrungen ziehen zu können. Du weißt doch gar nicht, wie sich das bei uns abgespielt hat. Du hast bestimmt noch keine Angst gehabt, wenn es nachts an der Tür klopft und in deinem Hirn rasend schnell eine Analyse abläuft, was du angestellt haben könntest, gegen welche Regeln du verstoßen haben könntest."
"Sicher kann ich dazu aus eigener Erfahrung nichts beitragen, aber wir hatten doch wenigstens eine objektive Berichterstattung, die solche Unzulänglichkeiten aufgedeckt, die ihre Finger in die Wunden der Gesellschaft gelegt hat. Eiterbeulen werden früher oder später aufgedeckt und beseitigt."
"Ist das wirklich so", entgegnet der andere "kommen bei euch solche negativen Ereignisse nicht meist auch dann erst ans Tageslicht, wenn sie von irgendwelchen undichten Stellen nach außen getragen werden. Und ist dies dann einmal der Fall, so wird das Ereignis nicht abhängig von der jeweiligen politischen Position des Medienzweiges interpretiert. Es wird dann doch meist nicht in ersten Linie versucht, Licht und Klarheit in die jeweilige Angelegenheit zu bringen, sondern man versucht, für seine politische Richtung das optimale herauszuholen bzw. Schadensbegrenzung zu betreiben. Ein objektive Berichterstattung ist dann doch erst einmal zweitrangig. Du darfst nicht glauben, wir hätten jahrelang hinter dem Mond gelebt. Wir haben schon auch mitbekommen, was sich bei euch abspielt, auch durch eure Medien. Der große und nicht zu verleugnende Vorteil bei euch ist eben, dass man sich aus den unterschiedlichen Bereichen ein eigenes Bild machen kann. Dies war natürlich bei uns nicht der Fall, da unsere Berichterstattung nur aus einer Richtung gefüttert und somit total einseitig informiert wurde."
"Das ist sicherlich richtig, jedoch haben wir eben noch den Vorteil, dass der einzelne in der Lage war, sich eine eigene Meinung zu bilden, sich den für ihn richtigen Weg selbst zu suchen."
"Ihr habt natürlich die theoretischen Möglichkeiten dafür, doch ist es nicht so, dass die meisten Menschen bei euch oftmals zu bequem dazu sind. Ihnen ist ganz recht, dass ihnen alles so vorgekaut und serviert wird, dass eigene Initiativen in der Regel nicht notwendig sind. Es ist ja auch wesentlich einfacher, eine vorgefertigte Meinung präsentiert zu bekommen, als selbst Aktivitäten zu entfalten. Mit ein bisschen Kritik dann und wann gaukelt man sich selbst vor, nicht dass Rädchen im Getriebe zu sein, dessen Laufrichtung vor oben vorgeschrieben ist. Da ist doch gar kein so großer Unterschied zu den Menschen in unserem System. Auch ihnen war es meist gleichgültig, was sich abgespielt hat. Hauptsache, die Kasse hat gestimmt und man hatte seine so heißgeliebte Ruhe."
"Das kann mit Sicherheit nicht abgestritten werden, nur hat man bei uns die Möglichkeit, es anders zu machen. Bei euch hingegen ist Anpassung eine Frage des Überlebens. Ohne Anpassung wird man aus der Gesellschaft ausgeschlossen."
"Das ist gut, darauf habe ich gewartet. Wie sieht es denn bei euch aus. Anpassung ist doch auch bei euch eine Frage des Fortkommens. Leuten, die querschießen, ist doch in der Regel auch vieles verbaut. Parteibuchwirtschaft kannst durch doch auch bei euch nicht abstreiten. Nur, und da muss ich dir Recht geben, ihr seid flexibler. Das Parteibuch wechselt bei euch oft je nach der politischen Landschaft. Diese Möglichkeit haben wir natürlich nicht, mangels Parteienvielfalt."
"Dies sind doch Parolen, die von eurer politischen Führung jahrzehntelang gegen den sogenannten Klassenfeind aufgebaut wurden. Von eurer Führung, die die arbeitende Klasse vertreten sollte und die sich jetzt im nachhinein als reine Ausnutzer und Ausbeuter herausstellen, die in Privilegien badeten, denen ihr eigenes Wohl in vorderster Linie am Herzen lag. Bezahlen musste das alles das Volk, die sogenannten arbeitende Klasse, die doch nur ausgenutzt und für dumm gehalten wurde."
"Dies will und kann ich nicht abstreiten. Was bei uns lief, ist eine einzige Sauerei. Was mich nur stört, ist das Steinewerfen derjenigen, die im Glashaus sitzen. Moralisch den Finger zu heben, das ist eine Anmaßung eurer politischen Vertretung, deren Anliegen es schon lange nicht mehr ist, ihre Wähler entsprechend ihrem Wahlauftrag zu vertreten. Sie sind eingebunden und Bestandteil der unterschiedlichen Interessensgruppierungen. Sie stehen mit ihren Aufsichtsratsposten auf den Gehaltslisten der Industrie. Politik wird doch bei euch so lange nicht mehr auf der politischen Ebene gemacht, sondern in den Vorstandsetagen der Großindustrie. Eure Politiker sind zu Marionetten der Unternehmen verkommen, die sich auf ihren eigentlichen Wahlauftrag oft nur im Wahlkampf versinnen und durch Verteilen von Wahlgeschenken Probleme überspielen und ihr eigenes Überleben sichern, natürlich auch hier mit Hilfe der jeweiligen Interessensgruppierungen."
"Auch bei uns ist nicht alles Gold was glänzt. Natürlich besteht auch bei uns ein Unterschied zwischen dem Anspruch und der Wirklichkeit. Aber eines kannst du nicht verleugnen. Wir haben wenigstens die theoretische Möglichkeit, uns gegen die Missstände zu wehren, unsere sogenannten Volksvertreter abzuwählen, wenn ich auch einschränken muss, dass die wichtigsten Plätze natürlich durch sichere Listenplätze reserviert sind, d.h. also vom eigentlichen Wählerverhalten ziemlich unabhängig sind. Bei euch jedoch hattet ihr noch nicht einmal diese theoretische Möglichkeit dazu. Die Ergebnisse der Wahlen standen doch schon vor dem eigentlichen Wahltermin fest. Nur so lassen sich eure 90 % - Ergebnisse erklären. Wenn jedoch, wie bei eurer letzten Wahl, eine Oppositionsrichtung aufkam, wurden die Wahlen eben entsprechend manipuliert, so dass letztendlich doch wieder das gewollte Ergebnis herauskam."
"Du hast ja recht und du solltest mich nicht missverstehen. Mir geht es beileibe nicht darum, unser System, das seine Unfähigkeit Gott sei Dank allein und nicht unter äußerem Einfluss unter Beweis gestellt hat, zu verteidigen. Ich kann nur das glückseligmachende Gerede nicht ertragen, in dem euer System als das reinste Paradies geschildert wird. Auch euer System hat seine Fehler und hat sich mittlerweile von den ursprünglichen Zielsetzungen entfernt. Der einzelne Mensch spielt in eurem System eine ähnlich unwichtige Rolle wie bei uns. Er stellt ein Rädchen in dem großen System dar, das, wenn es funktioniert, in dem großen Räderwerk seinen bestimmten Weg macht, letztendlich aber austauschbar und damit ohne große Wichtigkeit für das Gesamte ist. Auch euer System ist schon lange nicht mehr darauf ausgerichtet, dem Wohl des einzelnen zu dienen, dem eigentlichen Volk, dem Menschen im besonderen, sondern wird von überdimensionalen Interessengruppierungen gelenkt und für deren jeweilige Ziele genutzt, im Extremfall kann man sogar sagen, missbraucht."
"Du solltest nicht glauben, dass diese Probleme bei uns nicht gesehen werden. Immer mehr Menschen werden wachen und sich ihrer Rolle bewusst. Auch solltest du nicht vergessen, wie oft in den letzten Jahren Unmut und Wiederstand gegen Planungen der jeweiligen politischen Führung aufkam und aufkommt, die oftmals in ihrer Arroganz der Macht über die Belange der eigentlichen Bevölkerung hinweggeht. Früher wäre dies auch bei uns fast undenkbar gewesen. Auch bei uns ist das traditionelle Obrigkeitsdenken noch vielfach vorhanden, auch bei der politischen Führung. Dass dies nicht einfach von der Hand gewiesen werden kann, wird durch einen Ausspruch eines unserer Bundeskanzler deutlich, der einmal den Spruch von sich gegeben hat, der "er auf den Pöbel der Straße nicht hören werde". Dieser Ausspruch sagt doch alles. Wer ist denn dieser Pöbel der Straße. Das ist doch das Volk und in der Regel sind es die Menschen, die aktiv am weltlichen und politischen Geschehen teilnehmen. Aber auch die sind bei uns die unbequemen Menschen, die ihre Einwände geltend machen. Bequemer sind natürlich diejenigen, die sich in ihren eigenen vier Wänden verkriechen, die alles uns jedes schlucken, mit dem Argument, das man es sowieso nicht ändern könne. Es ist so ja wesentlich einfacher und unproblematischer für den Einzelnen. Ein solches Volk lässt sich ja auch wesentlich einfacher regieren. Das hat man bei uns schon gut bei euch abgekupfert. Auch bei euch wurden die Menschen klein und unwissend gehalten. Und wenn wirklich mal jemand aufbegehrte, hatte man immer noch genügend Möglichkeiten, ihn zu disziplinieren, etwa durch politische Inhaftierung oder im Extremfall durch Ausbürgerung. So wird man natürlich leicht mit schwierigen und ungeliebten Zeitgenossen fertig."
"Das ist richtig. Man hat jahrelang versucht, die kritischen Köpfe erst einmal zu disziplinieren und wenn dies nichts gefruchtet hat, als letzte Konsequenz die Ausbürgerung. Somit hat man die sogenannten krankhaften Stellen immer wieder frühzeitig herausgeschnitten, in der Hoffnung, dass diese Personen noch niemanden von ihren doch so gefährlichen Gedankengut infiziert haben. Kritische Stimmen passen nun einmal nicht in ein System, das von oben herab auf alles dirigistisch einwirkt. Eigenes Gedankengut kann dann bei den einzelnen nicht geduldet werden und wenn dieses Gedankengut dann auch noch kritisch wird, stellt es eine Gefahr für die herrschende Klasse dar. Aber diese ist leider nicht nur eine Angewohnheit dieser zentralistischen Systeme. Auch in den sogenannten demokratischen Systemen werden Andersdenkende mit Argwohl betrachtet. Auch hier klaffen Theorie und Praxis oftmals stark auseinander. Besonders stark kommt dies zum Tragen, wenn eine politische Kraft die macht schon lange innehat. Dann nämlich wird jede noch so gerechtfertigte Kritik als Majestätsbeleidigung verstanden. In kritischen Situationen, in denen durch Änderung der politischen Landschaft oder durch eigenes unfähiges Agieren die eigene Regierungsverantwortung in Gefahr ist, wird auch schon mal zu undemokratischen Mitteln gegriffen, um mit allen Möglichkeiten die Macht zu erhalten. Ihr hattet in jüngster Vergangenheit ja selbst Beispiele genug, die dies belegt haben."
"Das stimmt. Man sollte glauben, das solche Aktionen auf die Bevölkerung eine aufrüttelnde Wirkung haben. Dies ist im ersten Moment auch so. Vergehen aber seit den Ereignisse einige Tage und Wochen ins Land, so greift vielfach ein Grundprinzip des menschlichen Verhaltens. Es wird wieder ignoriert und verdrängt. Das ist auch die große Chance für die politische Macht. Sie können Grenzen, ob gesetzlicher oder moralischer Art, meist gefahrlos überschreiten. Nach einem vorübergehenden Aufbegehren, das vielfach einkalkuliert war, wird das Geschehene oftmals schnell verdrängt und der alte Trott greift wieder. Darauf spekulieren auch die Politiker jeglicher Coleur. Darüber hinaus ist das Wahlverhalten, durch das eigentlich die politische Arbeit honoriert oder aber auch abgelehnt werden soll, auch bei uns nicht wehr flexibel und größtenteils voll kalkulierbar. Dies beweisen die Umfragen, die von einem überaus großen Potential an Stammwählern ausgehen. Der einzelne Wähler mag sich vor der Wahl noch so sehr über die politischen Maßnahmen seiner sogenannten Stammpartei ärgern, er mag sich noch so sehr vornehmen, diesmal eine wählerpolitische Kehrtwendung durchzuführen, denen an der Macht einen entsprechenden Denkzettel zu erteilen. Steht er aber erst einmal in der Wahlkabine, macht er sein Kreuz meist dennoch an der angestammten Stelle. Die siehst, auch unser System hat bei allen theoretischen Möglichkeiten noch immer das Manko, dass es an der Unfähigkeit des Menschen scheitert. Und diese Unfähigkeit wird von den Herrschenden natürlich bis zur Perfektion erkannt und ausgenutzt. Aber davon abgesehen, das haben natürlich auch eure Herrschenden bis zur Perfektion erkannt. Nur bei euch ging man eben noch einen Schritt weiter. Durch dieses gewollte Gerede von der Gleichberechtigung und Gleichmacherei hatte der Einzelne noch nicht einmal die Möglichkeit, seine politische Unfähigkeit eigenverantwortlich zu beweisen. Das war den Herrschenden noch doch zu risikoreich. Einfacher war es dagegen, von vorneherein keine politischen Alternativen zuzulassen oder aber wenn sie pro forma vorhanden waren, sie in dieses einheitliche politische System voll einzubinden. Es gab nun mal nur eine Einheitsliste und Wahlkabinen waren natürlich verpönt, da man ja nicht zu verbergen hatte. So hatte man natürlich auch bei den Wahlen die absolute Gewissheit, dass die Ergebnisse den Forderungen entsprachen."
"Ich glaube, wir könnten noch stundenlang, tagelang oder auch wochenlang über Fehler und Unzulänglichkeiten der einzelnen Systeme reden. Unser System hat sich selbst ausgespielt und meine Hoffnung ist, dass wir den Schritt schaffen, etwas neues aufzubauen, hoffentlich in dem wir aus den Fehlern der vielen Systeme, die schon existiert, ihre Fehler gemacht und letztendlich gescheitert sind, die positiven Lehren ziehen. Das ist die große Chance, aber auch die große Gefahr, das es vielen Menschen bei uns und anderswo nicht schnell genug geht. Entwicklungen, insbesondere positive und auf eine gesicherte Zukunft ausgerichtete Entwicklungen benötigen viel Geduld und eine gewisse Reifezeit - und diese Zeit wird ihnen oft nicht gelassen. Ergebnisse müssen schnellstmöglich her, ob sie nun richtig sind, ist erst einmal zweitrangig. Es müssen nur Ergebnisse sein, die vorzeigbar sind, auch wenn sie nur vorübergehender Natur sind. Scheinergebnisse sind auch Ergebnisse. Und darin sehe ich in unserer labilen Situation die große Gefahr, die Gefahr nämlich, dass plötzlich wieder die ganz Schnellen oben sind, die das momentan vorhandene politische Vakuum geschickt für ihre eigenen Ziele ausnutzen. Die wirklich Ausgenutzten sind dann wieder, wie meist, das Volk, das ja doch wieder alles ausbaden muss. Ich bete und hoffe, dass wir es diesmal schaffen, doch sind, wie schon gesagt, große Zweifel in mir vorhanden."
"Ich wünsche euch und auch uns für diesen schweren Weg viel Glück, das nämlich braucht ihr zur Genüge, und natürlich die notwendige Ruhe und Einsicht, die für solche tiefgreifenden Änderungen erforderlich sind. Für unser eigenes System hoffe ich, dass auch es seine Lehren aus den Entwicklungen zieht. Man kann auch bei uns sehr viel daraus lernen. Vielleicht findet man auch wieder einmal Zeit, über die eigenen Unzulänglichkeiten nachzudenken. Ich glaube jedoch, die Hoffnung wird sich nicht erfüllen, denn eigene Unzulänglichkeiten einzugestehen, ist nun einmal keine Tugend, die dem Menschen in die Wege gelegt wurde. Unzulänglichkeiten findet man besser und schneller bei den anderen."

Winterlandschaft
Vor mir liegt eine Landschaft, die scheinbar mit Zucker überzogen ist.
Die Äste der Bäume biegen sich unter der schweren Last der weißen Pracht. Die Wiesen und Felder liegen unter einer hohen Schneedecke verborgen. Dieser Schnee schmiegt sich wie eine zweite Haut jeder landschaftlichen Unebenheit, jedem Tal und jedem Hügel an. Die Schneedecke scheint wie eine warme Decke alles unter ihr liegende abzuschirmen, scheint Schutz zu bieten vor der klirrenden Kälte.
Ein eisiger Wind weht. Er treibt den Schnee wie Puder vor sich her. An Böschungen bilden sich unter seiner Gewalt die herrlichsten Schneeverwehungen, teilweise interessante Fantasieformen bildend. Man hat das Gefühl, als befinde man sich am Strand, wo der Wind über die meterhohen Dünen weht und den Sand vor sich hertreibt. Manchmal formt der Wind die Verwehungen wie Figuren aus einem fernen Fantasieland.
Der stetig wehende Wind führt dazu, dass die Schneedecke meist unberührt aussieht. Spuren, die im Schnee hinterlassen wurden, sind nach ein paar Stunden verschwunden - hinweggeweht.
Diese Unberührtheit gibt das Gefühl der Einsamkeit. Vor einem großen, unberührten Schneefeld stehend fühlt man sich irgendwie einsam, alleine. Man vermisst auf einmal die Spuren - die Zeichen, dass noch Leben um einen herum ist.
Nur an windgeschützten Stellen kann man noch vereinzelte Spuren vom Wild des Waldes erkennen, das sich in den frühen Morgenstunden aus dem schützenden Dunkel der Wälder auf die freien Felder vorgewagt hat. Spuren scharrender Hufe sind zu sehen, die versucht haben, Nahrung unter der Schneedecke zu finden. Auf diese Weise versuchen die Tiere, der harten Herausforderung des Winters sich entgegen zu stellen. Für sie wird der strenge Winter zum Überlebenskampf.
Von einigen Bäumen hängen lange Eiszapfen herab - Dokumente von in der Sonne schmelzendem Schnee, der in der Eiseskälte dann schnell zu Eis erstarrt. Vereinzelte Sonnenstrahlen verfangen sich in diesen Eisgebilden und verursachen ein buntes Lichterspiel. In ihrer Reinheit und Klarheit erinnern die Eiszapfen an Spiegel - durchsichtige Spiegel der Natur.
Diese Ruhe und Einsamkeit einer unberührten Winterlandschaft ist in der Nähe des Dorfes nicht mehr gegeben. Ein leichter Abhang wurde von den Kindern zur Rodelbahn umfunktioniert. Auf ihren Schlitten rasen sie talwärts, um dann schnell wieder den Abhang empor zu eilen und das gleiche Schauspiel zu wiederholen. Ihr Rufen und Lachen untermalt das unterhaltsame Spiel. Für sie hat der Winter nicht dieses naturgegebene strenge Gesicht - für sie ist der Winter ein Freund, dessen Schneemassen begrüßt und zum Spiel genutzt werden.

Wolken
Ich liege auf einer grünen Wiese. Am strahlendblauen Himmel über mir ziehen vereinzelt weiße Wolken hinweg.
Von wo kommen sie ?
Was alles haben sie auf ihrer vielleicht schon langen Reise gesehen ?
Sie zogen über Kriegsfelder. Unter ihnen lagen in Schützengräben Soldaten, die keinen Blick für den blauen Himmel mit ihren vereinzelten Wolken übrig hatten. Ihr einziges Trachten galt dem eigenen Überleben, dem Schutz vor der tödlichen Kugel, vor der zerfetzenden Granate, vor dem betäubenden und das Innere auffressenden Gift.
Für sie galt es, einen Schuss schneller zu sein als der im gegenüberliegenden Graben kauernde Soldat, den sie nicht kannten, mit dem sie nichts verband als die große Angst vor dem letzten Schuss. Der Gegenüber lag in dem Graben, den man schon oft im dauernden Hin und Her eingenommen und genauso oft wieder aufgegeben hatte.
Man konnte schon lange keine Erklärung mehr für das eigene Tun finden - alle schien so trost- und sinnlos. Die Gedanken waren dumpf und oberflächlich, nur noch getragen nach dem Überleben und der Hoffnung nach einem Wiedersehen mit den eigenen Angehörigen und Freunden zu Hause.
Anschließend zogen die Wolken über zerbombte Städte, die ausgebrannt und als Gerippe aus Stein sich unter ihnen ausbreiteten. Aus den zerbombten Häusern drang der Gestank der Verwesung und der Verfäulnis.
Nur vereinzelt waren Menschen zu sehen, die mit bloßen, schon blutigen Händen nach ihren verschütteten Angehörigen oder Bekannten gruben, nach den Nachbarn oder gar nach Menschen, die man vorher noch nie sah. Sie hatten die Hoffnung auf Lebenszeichen nicht aufgegeben, bis das endgültige Schicksal die Verschütteten zur Gewissheit wird.
Sie konnten sich nicht wehren gegen diesen Tod von oben, dem sie nur schlecht und unzureichend geschützt in Kellern entgegensahen, in die sie nach diesem markzergehenden und dennoch mittlerweile gewohnten Klang der Sirenen geflüchtet waren.
Dieser allgemeine Tod machte keine Unterschiede zwischen Armen und Reichen, zwischen Kindern und Alten, zwischen Friedfertigen und Gewalttätigen, zwischen Kriegsverherrlichern und Kriegsgegnern. Er differenzierte nicht - er traf alle, ohne Warnung, ohne Auswahl.
Kaum hatten die Wolken die zerbombte Stadt verlassen, sahen sie unter sich ein ehemaliges Waldgebiet. Durch den Abwurf chemischer Stoffe waren alle Blätter von den Bäumen gefallen, alles Grün verschwunden. An ein ehemals intaktes Waldgebiet erinnerten nur noch die kahlen Stämme der Bäume.
Zwischen diesen Bäumen war das Leben total erloschen. Kein Tier, ob groß, ob klein war zu sehen, kein menschliches Wesen bewegte sich zwischen ihnen. Nur noch aschengrau wirkte dies alles dort unten, beängstigend.
Es ist nicht vorstellbar, ob und wenn ja wann wieder einmal Leben diesen Landstrich bevölkern wird. In dieser gespenstigenden Mondlandschaft scheint Leben für immer und ewig unmöglich.
Nach weiteren Hunderten von Kilometern wurde die Sicht zum Erdboden dunkel und dunkler. Aus Schornsteinen, die bis zu den Wolken reichten, quoll schwarzer, den Atem nehmender Rauch. Unter den Wolken breitete sich ein riesiges Industriegebiet aus, das man durch das Grau der Abgabe nur schemenhaft erkennen konnte.
Auf den Klang der Sirenen strömten Menschenmassen aus den Toren der Anlagen. Nach einem anstrengenden Arbeitstag zerstreuten sie sich allmählich und gingen zu ihren Wohnungen, die inmitten oder in der Nachbarschaft dieser Anlagen geschaffen wurden, damit die Anfahrtswege möglichst kurz waren. Die Häuser hatten dunkle Außenwände, die Fenster der Gebäude mussten dauernd geputzt werden, damit der Schmutz die Sicht nach draußen nicht verwehrte.
Nur vereinzelt kam etwas Grün oder ein verkümmerter Baum gegen das trostlose Grau an. Hoffnungslos und auf Dauer ohne Überlebenschance suchten sie die Sonne am Himmel, die ihnen die Lebenskraft geben sollte. Meist jedoch war die Sonne hinter grauem Nebel verschwunden - nur schemenhaft konnte man sie erahnen.
In diesem Grau lebten Menschen, lebten Kinder. Der eine oder andere machte sich Gedanken darüber, warum so viele Menschen in seiner Umgebung an Atemwegerkrankungen litten oder gar mit Krebserkrankungen starben. Die Kindersterblichkeit hatte beängstigende Werte erreicht und fast jedes Kind musste sich mit Kruppanfällen herumschlagen. Jede Nacht wurde zum Warten auf den nächsten Anfall.
Durch diese Ansiedlung schlängelte sich ein großer Fluss. In seiner Farbe unterschied er sich nicht von dem Grau der Industrieanlagen. Leben war in diesem Fluss nicht mehr zu sehen. Gefüllt mit Industrieabwassern wurde er zur Kloake degradiert. In ihm war kein Leben mehr möglich. Die Zusammensetzung seines Wasser war mittlerweile fast genauso giftig und gefährlich wie die Abwässer, die in ihn geleitet wurden.
Wieder viele Kilometer weiter ziehen die Wolken über ein Hausermeer. So weit das Auge reichte, waren Häuser zu sehen. Einzelne Häuser waren so hoch, dass die Wolken ihre oberen Stockwerke berührten.
Dieses Hausermeer war durchzogen von breiten grauen Straßen auf denen sich quälend langsam die Autos Stoßstange an Stoßstange vorwärtsbewegten. Aus ihren Auspuffrohren strömten Gase zum Himmel, die die ganze Stadt in ein einheitliches Grau hüllten. Bei bestimmten Wetterlagen wurden diese Gase für die Menschen zur Qual, hinderten am Atmen oder begleiteten jeden Atemzug mit einem stechenden Schmerz.
In der Innenstadt war eine Fußgängerzone zu sehen. Wie die Ameisen bewegten sich die Menschen in einer nicht mehr zählbaren Masse durch sie. Sie strömten in die Geschäfte und verließen sie vollbepackt mit dem Gekauften, weiterhastend zum nächsten Geschäft. Sie hatten wie üblich keine Zeit und verloren keinen Blick und keinen Gedanken an ihre Mitmenschen, die neben ihnen durch die Straßen hasteten, getrieben von dem gleichen Drang nach Befriedigung ihrer Konsumwünsche. In ihrer Isoliertheit und Anonymität waren sie dennoch Partner, die den gleichen unwichtigen Zielen nachrannten und eine Zufriedenheit dennoch nicht erreichten.
Etliche Kilometer weiter hatten die Wolken die letzten Häuser dieser endlos scheinenden Stadt hinter sich gelassen. An die Stadt grenzten Felder. Sie sahen aus wie ein Ei dem anderen. Riesige Monokulturen breiteten sich unter den dahinziehenden Wolken aus. Diese riesigen Flächen wurden nicht unterbrochen von Bäumen, Sträuchern oder einfach nur Wiesen.
Auf ihnen wuchsen in gleicher Farbe die Früchte - Gleichgezüchtet im Labor, im Reagenzglas.
Längst hatten die Tiere der Felder das Weite gesucht, da sie auf den Feldern nicht mehr leben konnten. Bedingt durch die riesigen Monokulturen war es nämlich erforderlich, mit der chemischen Keule gegen Insekten und Parasiten vorzugehen. Natürliche Feinde hatten diese Schädlinge nämlich nicht mehr. Darüber hinaus waren die hochgezüchteten Früchte derart anfällig, dass sie chemisch stabil gehalten werden mussten.
Das Grundwasser war längst schon verunreinigt. Der chemischen Produkte waren schon bis dorthin vorgedrungen. Das Wasser konnte nur noch mit riesigem Aufwand halbwegs gereinigt werden.
Auf den Feldern fuhren meterhohe Traktoren und Mähdrescher und verdichteten die Erde unter sich. Selbst die Natur war zur Fabrikhalle geworden.
Weit, weit mussten die Wolken ziehen, um in einer kleinen Ecke noch ein Stück Erde zu finden, in dem die Farbe Grün in ihrer natürlich Form vorherrschte.
Bunte Felder breiteten sich aus und wurden dann und wann durch dichte Wälder oder grüne Wiesen unterbrochen. In den Wäldern waren hier und da Tiere wie Rehe, Hasen etc. zu sehen, die sich zur Nahrungsaufnahme auf die nahen Wiesen wagten.
In dieser natürlichen Umgebung eingebettet zogen die Wolken über ein kleines Dorf hinweg, das als abwechslungsreiches Farbtupfer die Farben der Natur unterbrachen. Dieses Dorf bestand aus einer überschaubaren Anzahl von Häusern, die in aufgelockerter Art und Weise sich an schmalen Straßen gruppierten. Viel Grün der Wiesen und der Bäume lockerten das gesamte Bild auf. Auf den wenigen Straßen waren nur vereinzelt Fahrzeuge zu sehen, die gemächlich des Weges zogen.
Auf den Wiesen sah man Kinder im Spiel herumtollen. Umgezwungen und von ausgelassener Fröligkeit gekennzeichnet, tobten sie herum. Lachen und spielerische Geschrei drang hinauf zu den Wolken. Die Kinder schienen nicht von den Problemen und Ängsten belastet, die die Wolken auf ihrer schon so langen Reise gesehen hatten.
Auf den das Dorf umgebenden Felder arbeiteten hier und da Menschen. Sie brachten die Ernte ein.
Für die Wolken waren diese Bilder eine willkommene Abwechslung für all das Elend, Leid und die Zerstörung, die sich auf dem bisherigen Weg unter ihnen ausbreitete.
Diese Bilder ließen ein bisschen Hoffnung aufkommen, die jedoch bei näherer Betrachtung und Nachdenken als Trugbild erschienen. Zu gewaltig schien die Übermacht und das Fortschreiten der Zerstörung.

Zugfahrt
Langsam fährt der Zug an. Erst in Zeitlupentempo gleiten die an Bahnsteig stehenden Menschen an mir vorbei. Ihre Gesichter kann ich noch gut erkennen. Gesichter, in denen noch die Freude der Begrüßung erkennbar ist, aber auch Gesichter in denen die Trauer des Abschiedes ihre Spuren hinterlassen haben.
Zu einem Bahnsteig gehören Menschen.
Menschen, die nach einer langen Reise an einem Ziel ankommen.
Menschen, die Zwischenstation halten, die von einem Zug in den andern wechseln, für die sich alles nur flüchtig abspielt, darauf bedacht, nicht den Anschluss zu verlieren.
Menschen, die abreisen, die Abschied nehmen.
Menschen, die den Zügen entsteigen, die wissen wohin sie wollen, die ein klares Ziel vor sich haben, die gedrängt von der Zeit, über den Bahnsteig hasten.
Menschen, die verloren und verlassen auf dem Bahnsteig orientierungslos hin- und hergehen.
Menschen, die sich wohlfühlen in dem ewigen Hin und Her, aber auch Menschen, die sich von der Übermacht der davoneilenden, ankommenden, wartenden Menschen bedrückt fühlen und die sich in dieser Umgebung klein und verloren vorkommen.
Immer schneller wird der Zug.
Die Menschen sind nicht mehr zu erkennen, sondern huschen als Schatten vorbei. Der Bahnhof liegt hinter mir.
Häuser gleiten an meinem Fenster vorbei - endlose Häuserketten, die wie ein Bandwurm aneinandergereiht sind.
Häuser einer Stadt, in denen Freud und Leid zuhause sind.
Häuser, in denen Kinder geboren, Geburtstage und sonstige Feste gefeiert werden.
Hauser, in denen Verbindungen eingegangen werden, in denen Menschen zueinander finden.
Häuser, in denen Trennungen, vorübergehende aber auch endgültige, vollzogen werden.
Häuser, in denen der Tod eingekehrt ist, in denen man um liebe Freunde, Bekannte, Verwandte trauert, die den letzten Weg angetreten haben.
Häuser, in denen Verbrechen verübt werden und wurden, in denen eingebrochen, geschlagen oder gar gemordet wurde und wird.
Häuser, in denen Menschen wohnen, die alleingelassen und verloren jeden Lebensmut verloren haben, die sich von ihrer Umwelt abkapseln und nur noch zurückgezogen leben - ohne Freunde, Bekannte, ohne jemand, der sie vermisst.
Und doch - man sieht es ihnen von außen nicht an. Ein Haus sieht so unauffällig aus wie das andere - erzählt nichts von den Geschichten, Begebenheiten und Schicksalen, die sich in ihrem Innern abspielen.
Die letzten Häuser sind aus meinen Blickfeld verschwunden. Und mit ihnen auch die Gedanken, die sich in meinem Gedächtnis über das Geschehen in ihnen festgesetzt haben - zweifelnd, schwer, bedrückend. Sie sind plötzlich verschwunden.
Vor meinem Auge tauchen Wiesen und Felder auf. Auf den Feldern reckt sich die Saat in grüner Pracht der Sonne entgegen. Die Wiesen scheinen mit ihrem saftigen Grün, das unterbrochen wird von der bunten Vielfalt der ersten Frühlingsblumen, das erwachende Leben nach dem langen, strengen Winter zu dokumentieren. Die vereinzelt in den Wiesen stehenden Obstbäume sind in einen farbigen Blütenzauber gehüllt. Alles scheint von einem langen Schlag erwacht und nun mit aller Macht zu wachsen und zu blühen. Dieser Anblick gibt mir Mut und Hoffnung - Hoffnung auf den immer wiederkehrenden Kreislauf, auf ein kontinuierliches Kommen und Gehen, auf immer wieder vollzogene Reaktionen entsprechenden der jeweiligen Situationen, auf die Gegenwehr gegen alles Große, Übermächtige und Bedrohende.
Unterbrochen werden die Wiesen und Felder durch Wälder, durch dessen Dunkel der Zug rauscht. Die Bäume huschen als Schatten an mir vorbei und sind nur schemenhaft zu erkennen.
Der Blick verliert sich in dem Dunkel des Waldes, in dem die dichten laubbedeckten Wipfel der Bäume dazu führen, dass Sonnenstrahlen nur vereinzelt bis zum Boden durchdringen. Die Dunkelheit birgt immer das Unsichtbare, das Geheimnisvolle, das Überraschende, das nicht Ausrechenbare.
Dieses Dunkel wird durch plötzliche Helligkeit abgelöst, sobald der Zug den Wald wieder verlässt.
Die Eintönigkeit der Fahrgeräusche und das Dahinschwinden der Landschaften, die von Dörfern und Städten abgelöst werden, durch die der Zug fährt, lässt mich müde werden. Mir fallen die Augen zu.
Langsam komme ich zu mir. Ich stelle fest, dass ich lange geschlafen habe. Ich brauche eine Weile, um mich zu orientieren und festzustellen, wo ich mich befinde.
Es ist mittlerweile dunkel geworden. Mein Blick aus dem Fenster verliert sich in dem Dunkel der Nacht. Die schwarze Dunkelheit wird ab und an unterbrochen von den Lichterketten der Städte, die wir durchfahren, Lichter der beleuchteten Straßen, Lichter der Autos, die sich auf diesen Straßen bewegen, Lichter der beleuchteten Wohnungen - und mein Gedanke ist - wo Licht ist, ist das Leben.

 
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