Richard Henkes - Homepage der Familie Schäfer

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Richard Henkes

Heimat

Eine größere Liebe hat niemand
als die, dass er sein Leben
für seine Freunde gibt.
Joh 15,13

Der Pallottiner Richard Henkes (1900-1945) stammte aus Ruppach im Westerwald, Diozöse Limburg, und wirkte zuletzt in Schlesien (1931-1943). Er war dort Lehrer, wurde aber bald weiteren Kreisen als Seelsorger und Prediger bekannt. Das Seelsorgsamt und das Exerzitienhaus Branitz am Sitz des Generalvikars für den preußischen uns sudetendeutschen Anteil der Erzdiozöse Olmütz waren seine letzte Wirkstätte (1941-1943). Als eindrucksvoller Kanzlerredner und mutiger Verteidiger des katholischen Glaubens gegen den Nationalsozialismus erregte er die Gestapo, die ihn 1943 verhaftete und in das KZ Dachau verschleppte. Diese "Hölle" seelischer und körperlicher Leiden nahm er willig an als eine ihm von Gott verordnete Schule der Heiligkeit. Unter dem Zug der Gnade führte er inmitten des zermürbenden Vernichtungslagers ein Leben der Innerlichkeit und des Apostolates. Der drohenden Entmenschlichung entging er nicht nur selbst, er wehrte ihr auch bei ungezählten Leidengefährten, denen er half, gläubig zu überleben oder ergeben zu sterben. Er stellte sich, wohl wissend, wie der Krieg ausgehen würde, auf eine künftige priesterliche Arbeit in einem slawischen Sprachraum ein. Er lernte Tschechisch, worin sein Freund und Mithäftling, der spätere Kardinal Beran, sein Lehrer wurde. Beim Ausbruch der Typhusepidemie meldete er sich freiwillig für ein Todeskommando: zur Pflege der Kranken auf dem Tschechenblock 17, wo er sich auch ansteckte und am 22. Februar 1945 starb. 

Aus Anlass seines 100sten Geburtstages hat die Gemeinde Ruppach-Goldhausen in Zusammenarbeit mit der Pfarrgemeinde diesen Sohn der Gemeinde Ruppach-Goldhausen besonders geehrt (u.a. mit einem Festwochenende mit Ausstellung und Namengebung des Gemeindehause als "Richard-Henkes-Haus) und zu seinem Andenken ein Theaterstück seiner Lebensgeschichte mehrfach aufgeführt. 
Diese Lebensgeschichte stammt aus der Feder von Pfarrer Mathias Struth, der einige Monate in Ruppach-Goldhausen verbracht und sich u.a. diesem Thema intensiv gewidmet hat. Diese Lebensgeschichte aus seiner Feder, die aufgrund von authentischen Dokumenten und Zeitzeugenaussagen zusammengestellt wurde, er fungierte auch als Hauptdarsteller dieser aufgeführten Lebensgeschichte von Pater Richard Henkes. Im zur Seite standen fast 80 Personen aus Ruppach-Goldhausen und Nachbarorten, die als Laiendarsteller auf der Bühne und als organisierende und helfende Hände hinter der Bühne diese Geschichte in mühe- und liebevoller Kleinarbeit mit Leben gefüllt und für sie selbst und die Besucher zu einem unvergesslichen Ereignis gemacht haben.



Die Lebensgeschichte
von Pater Richard Henkes
aus Ruppach-Goldhausen
von Mathias Struth


Der Prolog
Szene: An der rechten Wand der Kirche steht ein Gerüst. An der linken Seite der Bühne stehen zwei Zuschauerstühle. Der Chorraum ist durch ein großes weißes Tuch verhängt. Das Tuch dient als Hintergrund und ist zugleich Projektionswand. Das Bild von P. Richard Henkes ist auf die Wand projiziert. Die Kirche ist abgedunkelt. Nur das Bild ist zu sehen. Ein Spot geht auf die Mitte der Bühne. Matthias Struth tritt auf und macht allgemeine Ansagen zu dem Theaterstück.
Matthias: ... i
(Matthias schaut dabei in den Zuschauerraum auf Roswita Henkes).
Roswita: Ja sicherlich, was soll ich denn tun
Matthias: Komm auf die Bühne und spiele für uns die Geschichte dieses Dorfes.
(Roswita betritt die Bühne und stellt sich neben Matthias.)
Matthias: Du bist als nun die Geschichte, vor allem die Geschichte diese Dorfes. Du hast all die Jahre und damit die Menschen dieses Dorfes verfolgt. Du bist die Erinnerung an diese Menschen. Du kennst auch die Geschichte dieses Richard Henkes. Erzähle mir von ihm. Was war er für ein Mensch.
Roswita: Oh, das ist eine lange Geschichte und sie ist auch nicht einfach zu erzählen und auch das Hören und Verstehen kostet Kraft. Willst Du sie wirklich hören.
Matthias: Ja, ich bitte Dich, erzähle sie mir.
Roswita: Es ist eine Geschichte des Westerwaldes und zugleich von Schlesien. Es ist eine Geschichte von der Freiheit des Glaubens und zugleich vom Gefangensein. Wenn du sie wirklich hören willst, kannst du nicht nur einfach zuhören, du wirst ein Stück des Weges mit Richard gehen müssen. Das Hören hat Folgen, bist du bereit, den Weg von Richard nachzugehen?
Matthias: Ja ich bin bereit.
Roswita: Richard ist am 26. Mai 1900 als neuntes von 13 Kindern geboren. Von den Geschwistern sind vier Kinder schon im Kindesalter gestorben. Sein Vater war Steinmetz und arbeitete am Kölner Dom. Er war meist die ganze Woche in Köln und kam nur am Sonntag nach Hause. Die Eltern von Richard betrieben damals eine kleine Landwirtschaft. Sein Vater wollte, dass seine Söhne etwas besseres werden können. Der ältester Bruder sollte Lehrer werden und weil das Geld nicht reichte, führte Richards Mutter nebenbei noch einen Krämerladen. Von daher hieß die Familie die "Kremersch". Richard ist noch in der alten Kapelle getauft, die damals am Tanzplatz stand. Siehst Du dort die Wand, sie ist noch die ursprüngliche Wand der Kapelle, die 1905 gebaut wurde, weil die alte Kapelle zu klein und baufällig geworden war. Doch schau dort, Richards Vater der Kremerpitter, er arbeitet mit am Bau der Kirche.
(Der Spot geht aus. Roswita und Matthias setzen sich im dunkeln an die Seite der Bühne)

Die Kindheit
Der Spot geht auf das Gerüst. Auf dem Gerüst steht Peter Henkes. Er arbeitet am Verputzen der Wand. Im wenigerleuchteten Hintergrund gibt die Mutter dem fünfjährigen Richard einen Korb in die Hand. Er trägt sie zum Gerüst. Der Hintergrund wird abgedunkelt.
Richard: Vater, die Mutter schickt mich mit dem Essen.
Kremerpitter: Warte, ich komme nach unten.
(Er steigt vom Gerüst und nimmt den Korb entgegen)
Kremerpitter: Na, da wollen wir mal sehen, was die Mutter wieder für gute Sachen geschickt hat. Oh, mein Gott, wer soll denn das alles Essen? Wir können Gott schon dankbar sein, dass wir die Mutter haben. Was wären wir nur ohne Kremersch-Anna.
Richard: Du, Vater, was baust Du hier eigentlich.
Kremerpitter: Wir brauchen eine neue Kirche, weil die alte zu klein ist. Wenn unsere Kirche hier in Ruppach fertig ist, dann kommen die Pallottinerpatres auch hierher, um die Messe zu lesen und wir brauchen sonntags nicht mehr den weiten Weg bis nach Meudt zur Kirche zu laufen. Es ist besser, wenn die Kirche zu den Leuten kommt. Deshalb baue ich an unserer Kirche.
Richard: Wenn ich groß bin, baue ich auch an der Kirche.
(Der Spot geht aus. Im dunkeln gehen Pitter und Richard ab. Der Spot geht auf Roswita und Matthias, die an der Seite der Bühne als Zuschauer sitzen)
Geschichte: Richard war ein rubbischer Bub, so wie all die anderen auch. Lass uns sehen, wie es weiter geht.
(Der Spot geht aus. Das Bild des Bahnhofs von Goldhausen erstreckt sich über die gesamte Leinwand. Zwei Gruppen von Kindern tauchen auf. Eine Gruppe an der linken, die andere an der rechten Seite der Bühne. Der Spot fällt auf die rechte Gruppe)
Ein Junge: Heute zeigen wir es aber den Guldsern. Die Niederlage von gestern, die werden wir wieder gut machen. Die werden was erleben.
(Die gesamte Bühne wird beleuchtet. Die Gruppe singt das Lied: "Ruppach-Goldhausen". Im Refrain singt nur die Ruppacher Gruppe das Wort Ruppach, die Goldhäuser das Wort Goldhausen kämpferisch gegen die anderen gewandt)
Ruppacher: Wartet nur, heute kriegt ihr sie.
(Die Jungs stürzen aufeinander zu und prügeln sich. Die Mädchen feuern die Jungs an. Im Hintergrund hört man einen Zug einfahren. Das Zuggeräusch endet mit einem lauten Pfiff. Ein Priester, Pater Pappert kommt vom Bahnhof her auf die Schar der Kinder zu. Die Kinder laufen weg. Nur der 11jährige Richard aus der Ruppacher und der 13jährige Josef Friedrich auch der Goldhäuser Gruppe bleiben stehen und begrüßen den Pater)
Richard und Josef: Gelobt sei Jesus Christus.
Pater Pappert: In Ewigkeit, Amen. Na ihr zwei Lausbuben, habt ihr Euch wieder einmal gerauft. Wird denn die Feindschaft zwischen Euren Dörfern nie ein Ende nehmen?
Josef: Ach, Pater Pappert, erzählen Sie uns doch bitte lieber von der Mission, das ist viel spannender.
(Pater Pappert und die zwei Jungen setzen sich)
Pater Pappert: Ja, ich hoffe, dass es auch für mich bald soweit ist, dass ich in die Mission nach Kamerun gehen darf. Kamerun ist dreimal so groß wie unser Kaiserreich. Das ganze Jahr ist dort Sommer und die Einwohner sind alle Neger. Sie warten nur darauf, dass wir ihnen den Glauben an den Heiland bringen. Bei uns im Missionshaus in Limburg werden die Missionare ausgebildet, damit sie nach Kamerun gehen können. Wenn ihr mal zu mir nach Limburg kommt, dann zeige ich euch beiden gerne mal, was die Missionare alles mitbringen.
Richard: Ist es schwer ein Missionar zu werden.
Pater Pappert: Nein überhaupt nicht, seit einigen Jahren haben wir eine Schule in Schönstatt. Wer nach der Schule bei den Pallottinern eintritt, kann nach der Priesterweihe in die Mission gehen. Sagt mal ihr zwei, ihr seid doch tüchtige Schüler, wollt ihr nicht Missionare werden?
Richard: Oh, das wäre fein, nach Afrika zu gehen und Priester zu werden. Aber ich glaube nicht, dass mein Vater das Geld für die Schule für mich hat.
Pater Pappert: Ich werde mal mit ihm sprechen. Vielleicht findet sich da doch ein Weg.
Richard: Oh, Pater, das würdet Ihr wirklich für mich tun.
Pater Pappert: Ja, gleich morgen nach der Messe werde ich zu euch kommen. Aber komm jetzt Josef ich will vor dem Beichtehören noch deine Mutter besuchen.
Josef: Ja, also mach es gut, Richard. Am Montag wird es dann weitergehen.
(Pater Pappert steht auf und wendet sich um, um loszugehen, Richard und Josef geben sich gegenseitig einen Stoß in die Rippen. Als sich Pater Pappert umdreht, lächeln sich beide friedfertig an)
Pater Pappert: Richard, bis morgen früh, du wirst doch die Messe dienen.
Richard: Ja, gewiss doch. Auf wiedersehen.
(Pater Pappert und Josef gehen ab. Richard wendet sich mit dem Blick in die Kirchenmitte und schaut nach oben)
Richard: Oh Heiland, oh meine Mutter, vielleicht sollte es doch wahr werden, dass ich Priester werden kann und Missionar. Oh Heiland, ich will dir folgen.
(Der Chor singt das Lied "Folgen" den Refrain, Richard singt den Refrain. (im Refrain ja, ich werde dir anstatt: komm, wir wollen ihm / Ich gehe anstatt: Wir gehen)

Folgen, Leben mit Jesus hat Folgen
Die alten Pläne und Ideen zähln nicht mehr
Folgen, kommen wir wollen ihm folgen
Sein Weg ist gut. Wir gehen hinterher
Folgen heißt zu lernen von isch selbst wegzusehen
Die Not der Welt erkennen und mutig loszugehn
Heißt Hilflosen zu helfen mit Trost und gutem Rat
Heißt reden, heilen, handeln, so wie es Jesus tat
Folgen heißt zu leben für Gottes großes Ziel
Heißt sich dort einzusetzen, wo niemand sonst es will
Die Last des andern tragen, der schwer zu schleppen hat
Sein Kreuz auf sich zu nehmen, so wie es Jesus tat
Folgen heißt zu opfern, was lebenswichtig scheint
Heißt manches aufzugeben, was man zu brauchen meint
Heißt viel mehr zu gewinnen, als man verloren hat
Zum Leben durchzudringen, so wie es Jesus tat

(Richard geht nach rechts hinter die Leinwand ab. Das Bild des Bahnhofs verschwindet, auf der linken Seite der Leinwand erscheint das Bild des Pallottinerinternats in Schönstatt, auf der rechten das Bild des Elternhauses von Richard in Ruppach. Der Spot geht auf Pater Kentenich, der vor dem Bild von Schönstatt steht. Im Hintergrund hört man die Stimmen von einer Schar Jungen. Diese tritt aus dem Hintergrund hervor. Sie tragen alle einen Koffer. In ihrer Reihe befinden sich auch Richard Henkes Josef Friedrich und Hans Wormer)
Pater Kentenich: Gelobt sei Jesus Christus.
Jungengruppe: In Ewigkeit, Amen.
Pater Kentenich: Ihr seid also die Neuen, die an unserem Internat anfangen werden. Ich bin Pater Kentenich und heisse Euch herzlich willkommen. Es ist schön so viele neue Gesichter zu sehen, kommt ich will Euch alles zeigen, denn ihr sollt Euch ja in den nächsten sieben Jahren hier wohlfühlen.
(Die Jungen reden leise miteinander. Richard und Hans Wormer stehen im Vordergrund)
Richard: Mein Name ist Richard und wie heißt Du.
Hans: Ich bin der Hans.
(Pater Kentenich geht ab. Die Jungen folgen ihm. Im dunkeln taucht auf der rechten Seite unter dem Bild des Elternhauses Anna Henkes auf. Der Spot geht aus und richtet sich nun auf Anna Henkes. Sie hat einen Brief in der Hand)
Anna: Franziska, komm doch mal her.
Franziska: Ja, Mutter was ist.
Anna: Richard hat einen Brief geschrieben. Du kannst doch so gut lesen, ließ ihn mir doch bitte vor.
Franziska: Ihr Lieben zu Hause in Ruppach, ich bin nun schon einen ganzen Monat in Schönstatt und habe mich recht wohl eingelebt. Ich habe auch schon einen guten Freund gefunden. Hans Wormer heißt er und wir lernen beide sehr viel. Er ist nicht so gut in der lateinischen Sprache und ich kann ihm gut beim Lernen helfen. Auch ist er ein ausgezeichneter Fußballspieler. Das Internat ist sehr groß und es gibt viele Schüler hier. Ich bin schon recht froh, dass ich hier lernen darf. Allerdings vermisse ich Euch und Ruppach sehr und freue mich schon auf die nächsten Ferien, wenn ich wieder nach Hause kommen kann. Ich hoffe Euch geht es allen gut. Wenn wir in der Kirche beten, bete ich immer für Euch mit. Euer Richard.
Anna: Franziska, du schreibst ihm doch auch mal, darüber freut er sich bestimmt.
Franziska: Ja, Mutter, gleich nachher werde ich ihm schreiben.
(Der Spot geht aus und fällt auf Richard und Hans, die auf der linken Seite der Bühne miteinander Fußball spielen. Hans nimmt den Ball in die Hand)
Hans: Du, Richard, wir sind jetzt schon über ein Jahr hier im Internat. Ich bin sehr froh, dass wir Freunde sind. Ich denke oft an zu Hause und habe Heimweh, da ist es schon gut, einen Freund wie dich zu haben.
Richard: Oh Hans, mir geht es genauso. Ich denke oft an meine Heimat Ruppach und an meine Familie. Ich freue mich, dass ich dich zum Freund habe und dass auch du Priester werden willst. Wenn es auch manchmal schwer ist, aber wenn wir zusammenhalten, werden wir schon alle Schwierigkeiten überstehen. Wie hat unser Lateinlehrer gesagt: Aut Caesar - aut nihil.
Hans: Richard, du weißt doch, dass ich Latein nicht mag.
Richard: Das heißt: Entweder alles oder nichts. Wenn wir zusammenhalten, dann können wir alles erreichen.
Hans: Na dann (er hält die offene rechte Hand hin): Aut Caesar.
Richard: (er schlägt ein) aut nihil.
(Der Spot geht aus. Vor dem Elternhaus stehen Peter und Anna. Der Spot geht auf sie)
Peter: Es wir sehr schwer in diesem Jahr die 400 Reichsmark für die Schule von Richard zusammenzubekommen.
Anna: Oh, es sind keine guten Zeiten, aber wir werden es schon schaffen. Wenn er erst mal die Schule geschafft hat, dann sind wir aus dem gröbsten raus. Richard ist ja ein guter Schüler. Ich bin mir sicher, dass er es schaffen wird.
Peter: Na ja, der Gürtel hat ja noch ein paar Löcher, die noch nicht so ausgeleiert sind. Dann werden eben die auch noch dran glauben müssen.
Anna: Morgen werde ich mit Franziska nach Vallendar gehen und den Richard besuchen. Dann werden wir ja sehen, ob er das alles durchhält.
(Der Spot geht aus. Vor dem Internat tauchen Anna und Franziska Henkes auf. Sie haben einen Korb mit dabei. Der Spot geht auf sie)
Richard (ruft aus dem Hintergrund der Bühne): Ich komme, wartet nur ich bin gleich bei Euch.
Anna: Hör nur, jetzt heult er schon wieder vor Freude, dass wir zu ihm kommen.
Richard (erscheint bei den beiden und umarmt sie): Ich freue mich so sehr, dass ihr da seid.
Anna: Du hast ja schon wieder fast ein Taschentuch vollgeheult. Ist das nicht viel zu schwer für dich.
Richard: Ich vermisse euch und Ruppach halt so sehr, aber ich schaffe das schon.
Anna: Du weißt, dass du jederzeit aufhören kannst, dass wir dich nicht zwingen, das durchzuhalten.
Richard: Ja, ich weiss. Aber ich will doch so gerne Priester werden. Komm ich führe euch ins Haus.
(Der Spot geht aus. Richard, Anna und Franziska gehen ab. Der Spot geht auf Roswita und Matthias, die noch auf den Stühlen an der Seite der Bühne sitzen)
Geschichte: Ja Matthias, so war das mit Richard. Aber er hat geschafft. Seine Heimat hat er stets in guter Erinnerung getragen und sich oft nach Ruppach zurückgesehnt. Seine Schule musste er allerdings unterbrechen, denn er wurde zum Militär eingezogen und war ein halbes Jahr in Darmstadt. An die Front musste er nicht. Sein guter Freund Hans Wormer fiel allerdings im 1. Weltkrieg. Er hat die Trauer lange in sich getragen. Nach dem Krieg konnte er nach Schönstatt zurückkehren und das Abitur machen. Gleich nach dem Abitur trat er bei den Pallottinern in Limburg ein und begann mit seinem Theologiestudium. Er fühlte sich dort sehr wohl, obwohl er immer mit der Luft zu tun hatte. An seine Heimat dachte er immer. Einmal auf einer Wallfahrt nach Wirzenborn fiel er mit 22 Mitstudenten zu Hause ein. Am 6. Juni 1925 wurde er dann in Limburg zum Priester geweiht. Auch Josef Friedrich war mit ihm gemeinsam zum Priester geweiht worden. Als Richard nach der Weihe am Bahnhof in Goldhausen ankam, empfing ihn die Gemeinde. Sie hatte mehrere Ehrenpforten aufgebaut, durch die dann die Prozession ging. Seine Primiz war ein großes Fest. So Matthias, das war die Geschichte des Ruppachers Richard Henkes.
Matthias: Aber seine Geschichte ging doch weiter, erzähle mir davon.
Geschichte: Du hast die Geschichte seiner Kindheit gehört. Die Geschichte des Priesters Richard Henkes die kannst du nicht allein Hören, Du wirst beim Hören der Geschichte seinen Weg ein ganzes Stück nachgehen müssen. Willst du das wirklich.
Matthias: Ja, ich bin bereit.
Geschichte: Glaubst du, du kannst hineinschlüpfen in seine Geschichte.
Matthias: Ja, ich denke schon.
Geschichte: Dann schlüpf hinein, dann gehe den Weg. Ich zeige dir, wohin du gehen musst, um seine Geschichte aufzuspüren.
(Roswita weist auf die Mitte der Bühne. Der Spot geht aus und erneut (von der Empore) auf die Bühnenmitte. Roswita geht ab. Eine Schola singt die erste Strophe von dem Lied "Den Weg wollen wir gehen")

Wer kann im Terror die Wahrheit noch sehn
Wer zeigt Bereitschaft, die Schritte zu gehen
Wer geht den Weg, der die Mühe lohnt
Wer wagt die Kleider von ihm anzuziehn
Wer ist bereit, seine Schritt zu gehen
Wer geht den Weg, der die Mühe lohnt
Wer kann die Hölle von Dachau bestehn
Wer zeigt Bereitschaft, zum Glauben zu stehn
Wer geht den Weg, der die Mühe lohnt
Ref: Den Weg wollen wir gehen, die Liebe geht mit uns
Auf dem langen und steinigen, auf dem weiten und unbequemen
Auf dem Weg, der die Mühe lohnt
Auf dem Weg, der die Mühe lohnt

Matthias (im Dunkel) singt alleine dazu den Refrain:
Den Weg werde ich gehen, die Liebe geht mit mir: Auf den langen und steinigen, auf dem weiten und unbequemen, auf dem Weg, der die Mühe lohnt, auf dem Weg, der die Mühe lohnt.
Soutane in den Händen, die sie auf die Bühne legen. Die Schola singt die zweite Strophe. Matthias betritt aus dem Dunkel heraus die Bühnenmitte und tritt in die ausgebreitete Soutane mit dem Rücken zum Publikum. Er singt dabei erneut den Refrain. Peter und Anna helfen ihm, die Soutane anzuziehen und gehen danach ab. Die Schola singt die dritte Strophe. Am Ende der Strophe dreht sich Matthias, jetzt Richard um und singt den Refrain in die Kirche hinein und sagt:
Ad sum. Ich bin bereit.
(Richard verlässt die Bühne und geht durch den Mittelgang zum Ausgang. Der Spot folgt ihm)

Auf dem Weg
Der Spot geht aus. Am Ausgang zieht Richard einen Mantel an, ein Birett auf und nimmt einen Koffer in Empfang. Er geht erneut in der Dunkelheit auf die Bühne zu. Der Spot fällt auf ihn als er die Bühne erreicht hat. Das Bild des Internats von Schönstatt wird in der Mitte der Leinwand sichtbar. Richard steht an der rechten Seite der Bühne.
Richard: 1925: (Pause) Endlich bin ich am Ziel. Endlich habe ich ein Zuhause. Sieben Jahre war ich hier Schüler und habe all das gelernt, was ich für das Leben brauche. Jetzt bin ich zurück, doch nun als Lehrer (Richard hustet). Ich will all den Schülern das beibringen, was ich gelernt habe, vor allem (hustet erneut), den Glauben vermitteln und die Liebe zum Herrgott und zu Maria (hustet sehr kräftig). Endlich habe ich Heimat, endlich bin ich am Ziel (Richard stellt den Koffer ab).
Stimme: Oh nein Richard, folgen heißt nicht stillestehn, folgen das heißt weitergehen.
(Richard nimmt den Koffer und geht ein paar Schritte weiter. Er bleibt stehen. Ein Bild des Schule in Alpen erscheint auf der Leinwandmitte)
Richard: 1928: (Pause) Fast ein Jahr war ich in Sankt Blasien im Schwarzwald und habe meine Tuberkulose ganz ausgeheilt. Jetzt geht es endlich weiter. Ich habe festgestellt, dass ich keinen Sinn für die Mission habe. Ich bin ganz auf die Schule eingestellt. Hier in der Schule in Alpen am Niederrhein, hier werde ich bleiben. Hier soll jetzt das Ziel sein (Richard stellt den Koffer ab).
Stimme: Richard, willst du ihm folgen, darfst du nicht stillestehn, ihm zu folgen, das heißt weitergehn.
(Das Bild von Alpen wird ausgeblendet. Richard nimmt den Koffer wieder in die Hand und geht ein paar Schritte. Als das Bild von Schönstatt erscheint, bleibt er stehen)
Richard: 1929: (Pause) Immer wieder kehre ich zurück nach Schönstatt. Die Zeiten sind hart. Die Jugend braucht Ideale und eine klare Führung. Dies will ich ihnen geben: Deutsch, Latein, Geschichte, dies sollen die Grundlagen sein für ein freies Denken, für eine feste Überzeugung, für ein gutes gottgewolltes Handeln. Schönstatt soll wohl meine Heimat sein, hier ist wohl doch mein gottgewolltes Ziel (Richard stellt den Koffer ab).
Stimme: Richard, Gott will keinen Stillstand, du sollst nicht stehn, Gott will, dass du ihm folgst, Richard, du sollst weitergehn.
(Richard nimmt den Koffer wieder in die Hand. Pater Laqua kommt auf die Bühne)
Pater Laqua: Richard, ich habe einen Auftrag für dich. In Schlesien haben wir eine neue Schule in Katscher. Wir brauchen dort dringend Lehrer. Ich glaube du bist der richtige Mann dafür. Gehst du dorthin.
Richard: Ich bin bereit, ich gehe. Soll Schlesien meine Heimat sein.
(Richard und Pater Laqua gehen ab. Das Bild der Schule in Schönstatt wird ausgeblendet)

In Schlesien
(Im Dunkeln wird ein Klassenraum aufgebaut (Tafel an die Wand, Fester mit dem Blick auf Katscher, Bänke und Stühle, Kreuz an der Wand). Schüler sitzen in den Bänken. Richard steht an der Tafel. Ein Schüler (Heinz) steht neben seiner Bank. Die gesamte Bühne wird beleuchtet)
Heinz: Was unten tief dem Erdensohne, das wechselnde Verhängnis bringt, das schlägt an die metallne Krone, die es erbaulich weiter klingt.
Richard: Sehr gut Heinz, setz dich. Wer macht weiter. Oh, wie wäre es mit dir, Karl?
(Heinz setzt sich hin. Karl steht auf und stellt sich neben seine Bank)
Karl: Weiße Blasen ... seh' ich ... seh' ich ... ähm
Richard: ... seh' ich springen,
Karl: Weiße Blasen seh' ich springen, Wohl! Die Massen sind ... ähm ... im Fluss, ... ähm ...
Der Banknachbar flüstert vor: Lasst's mit Aschensalz
Karl: Laßt's mit Aschensalz durchdringen, Das befördert schnell ... ähm ... ähm ...
Richard (mit bestimmtem Ton): ... schnell den Guss. Auch vom Schaume rein, muss die Mischung sein, dass vom reinlichen Metalle, Rein und voll die Stimme schalle.
Karl, du hast schon wieder nicht gelernt, was soll das bloß noch mit dir geben. Ich könnte aus der Haut fahren. Setz dich (Karl setzt sich). Da weißt du ja, was du bis morgen zu tun hast. Ich werde dir die Glocke schon beibringen, und wenn es nicht in diesem Schuljahr ist, dann wird es im nächsten sein.
Heinz: Aber Pater Henkes, im nächsten Schuljahr sind wir doch schon auf der Schule in Frankenstein.
Richard: Ja genau Heinz, und nicht nur ihr werdet dort sein. Ich werde auch wieder einmal umziehen und werde ab dem nächsten Schuljahr in Frankenstein sein.
(Es klingelt. Die Schüler packen ihre Sachen zusammen)
Richard: Und denkt daran, dass wir uns heute nachmittag treffen, um den Ausflug vorzubereiten.
(Pater Allebrod betritt mit einer Zeitung in der Hand die Bühne. Die Schüler gehen ab)
Pater Allebrod: Richard, hast du schon davon gehört, jetzt hat er es doch geschafft.
(Er hält die Zeitung vor. In großer Schrift steht die Schlagzeile: "Hitler zum Reichskanzler ernannt")
Richard: Oh Eduard, es war ja zu befürchten. Jetzt geht es bergab mit uns. Wenn Hitler an der Macht ist, dann wird es auch bald schlecht aussehen mit unserer Kirche. Wie können die Deutschen nur so blind sein. Da muss man doch etwas dagegen tun.
Pater Allebrod: Ich glaube jetzt ist es wichtig, dass wir in jedem Gebet auch an unser Land denken.
Richard: Ja Eduard, und wir müssen den Menschen die Augen öffnen. Wenn Hitler zu viel Macht gewinnt, dann wird es schwere Zeiten geben für uns alle. Ich erahne, dass es kein halbes Jahr dauert, bis sich Rom mit dem neuen Machthaber arrangieren wird.
Pater Allebrod: Wir lassen uns schon nicht kleinkriegen. Wir werden uns ja wohl nicht von solchen Dummköpfen auf der Nase herumtrampeln lassen. Wir bleiben bei der Wahrheit und lass uns gut beobachten, wie Rom reagieren wird.
(Der Vorhang geht ein Stück auf. Der Hintergrund wird beleuchtet. Das Licht auf der Bühne geht aus. Richard und Pater Allebrod setzten sich an eine Schülerbank und schauen, was sich hinter der Bühne tut. Auf der hinteren Bühne steht ein Tisch. An ihm sitzt Kardinal Pacelli. Ein Sekretär betritt den Raum)
Sekretär: Eure Eminenz, der Vizekanzler des Deutschen Reiches ist da.
Pacelli: Lassen Sie ihn eintreten.
Sekretär: Kardinalstaatsekretär Pacelli.
Pacelli: Gelobt sei Jesus Christus.
Sekretär: Franz von Papen.
von Papen: Heil Hitler (er hebt den rechten Arm)
Pacelli (räuspert sich): Gelobt sei Jesus Christus.
von Papen: in Ewigkeit, Amen.
Pacelli (nickt freundlich): Setzen Sie sich doch. Nun welche Neuigkeiten bringen Sie mit aus Deutschland?
von Papen: Der Führer schickt mich mit persönlichen Grüßen für seine Heiligkeit. Ich habe die Vertragsvorlage für ein Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich in der Tasche.
(Er zieht das Papier aus der Aktentasche und gibt es Pacelli. Dieser ließt eine Weile)
Pacelli: Sie erwarten also die gesamte Entpolitisierung des deutschen Klerus.
von Papen: Die Kirche ist für die Seele der Menschen da, nicht um zu herrschen.
Pacelli: Geben Sie mir Zeit, um dies alles mit dem Heiligen Vater durchsprechen.
(Der Spot geht auf Richard und P. Allebrod. Die hintere Bühne wird dunkel. Franz von Papen geht ab. Pacelli setzt sich auf den Stuhl, auf dem zuvor von Papen saß. Papst Pius XI. setzt sich auf Pacellis vorherigen Platz)
Pater Allebrod: Es war ja zu erahnen, dass es zu einem Konkordat kommen wird. Es bleibt uns nur zu beten, dass die Kirche nicht zu stark beschnitten wird.
(Der Spot geht aus. Die hintere Bühne wird beleuchtet)
Pacelli: Eure Heiligkeit, wir werden auf die Positionen von Hitler eingehen müssen, denn nur wenn es zum Vertrag kommt, kann gewährleistet bleiben, dass wir in Deutschland weiterhin ungehindert Glaubensgut und Sittenlehren verkünden und die Sakramente spenden dürfen.
Papst: Aber wenn wir unterzeichnen, dann wird die ganze Welt zuschauen und es wird heißen, wir haben dem Nationalsozialismus unsere Legitimation gegeben.
Pacelli: Eure Heiligkeit, die Zeit drängt. Wer weiß, wie lange es dauert und Hitler das Interesse am Konkordat verliert. Um so früher wir handeln, um so mehr können wir vielleicht retten.
Papst: Wenn wir der Entpolitisierung zustimmen, dann nur unter dem Kompromiss dass die katholischen Verbände in Deutschland geschützt bleiben und sie ihrer Arbeit ungehindert nachgehen können.
(Das Licht geht aus. Der Papst geht ab. Pacelli setzt sich an seinen ursprünglichen Platz. An der anderen Seite der Bühne stehen von Franz von Papen und Hitler hinter dem Vorhang. Ein Spot beleuchtet sie von hinten, so dass nur ihre Schatten zu sehen sind)
von Papen: Der Papst will eine unbedingte Garantie für den Schutz des deutschen Verbandskatholizismus. Obendrein erwartet Rom ein verbrieftes Recht, jederzeit Beschwerde bei Verstößen gegen das Konkordat einlegen zu können.
Hitler: Es ist wohl angebracht, dem zuzustimmen, allerdings schränken wir den Schutz nur auf die katholischen Organisationen ein, die rein religiösen, kulturellen oder karitativen Zwecken dienen. Sobald der Vertrag unterzeichnet ist, werden wir langsam aber systematisch an den Verbänden arbeiten, da sie ja alle auch einem politischen Auftrag nachgehen, steht uns ja das Recht dazu zu. Und obendrein, sollen sie sich doch beschweren so lange sie wollen. Was stört es eine deutsche Eiche, wenn sich ein katholisches Wildschwein daran kratzt!
von Papen: Heil Hitler! (Er hebt den Arm)
(Der Spot geht aus. Franz von Papen setzt sich an den Tisch. Die hintere Bühne wird erleuchtet. Der Sekretär reicht zuerst von Papen danach Pacelli den Vertrag zur Unterschrift. Der Vorhang geht zu)
(Der Spott geht auf Richard und Pater Allebrod)
Richard: Jetzt ist es geschehen, Gott weiß allein, wohin uns das noch bringen wird.
(Der Spot geht aus. Richard und Pater Allebrod gehen ab. Das Fester mit dem Bild von Katscher wird gegen ein Fenster mit dem Anblick von Frankenstein ausgetauscht. Die gesamte Bühne wird beleuchtet. Pater Allebrod betritt erneut das Klassenzimmer. Er hat ein Paket mit Flugblättern unter dem Arm. Er setzt sich an einen Tisch und fängt an zu sortieren. Richard betritt den Raum und setzt sich an den Tisch)
Pater Allebrod: Die Broschüren für die Pfarrei hier in Frankenstein sind fertig. Ich werde am Sonntag in der Kirche in Zadel predigen, dann kann ich die Broschüren dorthin mitnehmen. Bist du am Sonntag auf dem Annaberg?
Richard: Ja, man hat mich gebeten, bei der Männerwallfahrt die Predigt zu halten. Der gesamte Annaberg wird überfüllt sein von jungen Männern. Es wird eine gute Gelegenheit sein, einige Broschüren zu verteilen. Ich muss nur sehen, wie ich die Broschüren dorthin gebracht bekomme, ohne dass die Nazis sie mir beschlagnahmen.
Pater Allebrod: Wir müssen mal sehen, wieviel wir bis zum Sonntag gedruckt bekommen. Ich schlage vor, wir teilen sie in vier Pakete auf und bringen sie getrennt voneinander dorthin.
Richard: Ja, das wird gut sein. Ich weiß auch schon drei Männer aus Frankenstein, die sie mit dem Fahrrad dorthin mitnehmen können. Aber sieh, Eduard, was ich hier habe.
Pater Allebrod: Ist das eine neue Vorlage für eine Broschüre?
Richard: Nein, das sind die Katechismus-Wahrheiten. Die Bischöfe haben sie frisch herausgebracht, sie klären darin gegen die falschen Wahrheiten der Partei auf. Wir müssen sehen, dass wir möglichst viele bis zum Sonntag gedruckt bekommen, dann kann ich dies alles in die Predigt einbauen.
Pater Allebrod: Hast du schon von den Sittlichkeitsprozessen gehört?
Richard: Ja, es ist unglaublich, mit welchen Mitteln die Nazis versuchen gegen die Kirche vorzugehen. Erst die Prozesse gegen die Priester wegen Verstöße gegen die Devisenbestimmungen und jetzt die großen Sittlichkeitsprozesse. Hitler versucht dem Ansehen der Kirche wo es auch nur geht zu schaden.
Pater Allebrod: Ja, Richard, es sind schwere Zeiten, wenn der Papst doch endlich auch etwas dazu sagen würde.
Richard: Aber ich glaube es tut sich etwas, vor kurzem waren Bischof von Galen, Preysing und unsere drei deutschen Kardinäle in Rom. Kardinal Faulhaber hat angeblich den Auftrag ein Schreiben vorzubereiten. Ich harre auch täglich darauf, dass sich in Rom etwas ereignet.
(Das Licht geht aus. Der Vorhang zur hinteren Bühne öffnet sich. Am Tisch sitzt Papst Pius XI. An einem Schreibpult steht der Sekretär. Der Spot beleuchtet die Szene)
Papst: Es wird Zeit, dass wir Stellung beziehen zu dem, was in Deutschland geschieht. Vor daher schreibt bitte:
Mit brennender Sorge und steigendem Befremden beobachten wir seit geraumer Zeit den Leidensweg der Kirche, die wachsende Bedrängnis der ihr in Gesinnung und Tat treu bleibenden Bekenner und Bekennerinnen inmitten des Landes und des Volkes, dem St. Bonifatius einst die Licht- und Frohbotschaft von Christus und dem Reiche Gottes gebracht hat.
Diese unsere Sorge ist nicht vermindert worden durch das, was die uns an unserem Krankenlager besuchenden Vertreter des Hochwürdigsten Episkopats wahrheits- und pflichtgemäß berichtet haben. Neben viel Tröstlichem und Erhebendem aus dem Bekennerkampf ihrer Gläubigen habe sie bei aller Liebe zu Volk und Vaterland und bei allem Bestreben nach abgewogenem Urteil auch unendlich viel Herbes und Schlimmes nicht übergehen können.
Habt Ihr das?
Sekretär: Ja, Eure Heiligkeit.
Papst: Dann fügt nun den Abschnitt mit der Erläuterung über den Konkordatsabschluss und den Vertragsbruch durch die Regierung ein. Den Abschnitt über den Gottesglauben ergänzt bitte durch folgendes:
Wer Rasse, oder das Volk, oder den Staat, oder die Staatsform, die Träger der Staatsgewalt oder andere Grundwerte menschlicher Gemeinschaftsgestaltung - die innerhalb der irdischen Ordnung einen wesentlichen und ehrengebietenden Platz behaupten - aus dieser ihrer irdischen Wertskala herausgelöst, sie zur höchsten Norm aller, auch der religiösen Werte macht und sie mit Götzenkult vergöttert, der verkehrt und fälscht die gottgeschaffene und gottbefohlene Ordnung der Dinge. Ein solcher ist weit von wahrem Gottesglauben und einer solchem Glauben entsprechenden Lebensauffassung entfernt.
Fügt die Abschnitte über die reinen Christusglauben, Kirchenglauben und an den Primat sowie über die Ausführungen zur sittlichen Ordnung hinzu. Die Worte an die Jugend, an Priester und Ordensleute und an alle Getreuen, die sich für die Kirche gegen den Terror einsetzen sollen den Abschluß der Enzyklika bilden.
Sendet dem Nuntius in Berlin für jedes Bistum eine Abschrift der Enzyklika. Sie soll am Palmsonntag in allen Kirchen in Deutschland gleichzeitig verlesen werden. Habt Ihr das alles?
Sekretär: Ja, Eure Heiligkeit.
Papst: Dann reicht sie mir bitte zur Unterschrift her.
(Der Papst unterzeichnet das Schreiben. Der Spot geht aus und der Vorhang geht zu. Die Bühne wird wieder beleuchtet)
Richard: Es wurde auch höchste Zeit. Nun müssen wir zusehen, dass das Schreiben geheim bleibt, bis es verlesen wird. Jetzt werden wir wieder Boden unter die Füße bekommen.
Pater Allebrod: Oder er wird uns jetzt erst recht unter den Füßen weggezogen!
(Das Licht geht aus. Richard und P. Allebrod gehen ab. Das Kreuz wird von der Wand genommen. Schüler (diesmal ältere) betreten das Klassenzimmer und setzen sich an die Bänke. Das Licht geht an. Richard betritt das Klassenzimmer. Alle Schüler stellen sich neben ihre Bank)
Richard: Guten Morgen.
alle Schüler: Guten Morgen, Pater Henkes.
Richard: Wir wollen beten.
alle Schüler: Herr Jesus Christus, segne diesen Tag und das Studium, das wir zu deiner Ehre verrichten. Stärke unseren apostolischen Geist, damit wir in dieser Welt wirken für dein Reich. Auf die Fürsprache unserer Mutter Maria gewähre uns dies durch Christus unseren Herrn. Amen.
Richard: Setzt Euch.
(Die Schüler setzen sich. Ein Schüler meldet sich)
Richard: Karl!
Karl: Pater Henkes, warum hängt das Kreuz nicht mehr an der Wand? Was ist los?
Richard: Oh Karl, da ist einiges los. Das Kreuz darf dort nicht mehr hängen, bald das verbogene Kreuz des Hasses dort hängen. Doch das ist noch nicht genug. Hitler hat alle Kloster- und Ordensschulen aufgelöst. Ab morgen werde ich hier nicht mehr stehen.
Karl: Was wird dann aus uns?
Richard: Ihr werdet schon noch weiter unterrichtet, allerdings nicht mehr christlich, sondern nationalsozialistisch. Bewahrt, was wir Euch beigebracht haben.
Karl: Und was wird aus Ihnen?
Richard: Ich habe gute Kontakte zu Prälat Nathan und werde mich in einer Pfarrei ganz der Seelsorge widmen. Ich darf und kann nicht sillstehn, ich muss aufstehen und muss weitergehen.
(Karl steht auf und stellt sich neben seine Bank)
Karl: Was unten tief dem Erdensohne, das wechselnde Verhängnis bringt, das schlägt an die metallne Krone, die es erbaulich weiter klingt. Weiße Blasen seh' ich springen, Wohl! Die Massen sind im Fluss, Lasst's mit Aschensalz durchdringen, das befördert schnell den Guss. Auch vom Schaume rein, muss die Mischung sein, dass vom reinlichen Metalle, rein und voll die Stimme schalle.
(Das Licht geht aus. Richard geht ab. Das Klassenzimmer wird weggeräumt, die Schüler gehen ab. Ein Tisch mit fünf Stühlen wird im hinteren Bereich in der Mitte der Bühne aufgestellt, ein kostbar geschmückter Tisch mit einer Marienstatue und zwei sich gegenüber stehenden Sesseln an der linken Bühnenseite. Das Gerüst wird zur Kanzel umgebaut. Ein GESTAPO-BEAMTER "Spitzel" nimmt in einer vorderen Bank Platz. Er hat einen Block und einen Stift in der Hand. Ein kleiner Spot geht auf ihn, ein größerer auf die Kanzel. Richard Henkes kommt mit Rochett und Stola bekleidet auf die Bühne. Zwei Messdiener begleiten ihn. Sie bleiben an der Kanzel stehen. Richard besteigt die Kanzel)
Richard: Jene die vom Teufel sind, sollen auch zum Teufel zurückkehren. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
(Richard bekreuzigt sich, danach hält er seine Predigt. Der Spitzel schreibt mit)
Richard: Liebe Gemeinde von Strandorf, so haben wir es also eben im Evangelium gehört, dass Jesus das ganze Heer der Dämonen aus dem Kranken hat ausfahren lassen. Wir schauen auf das Leben von Jesus unserem Heiland und stellen voller Ehrerbietung fest, dass er die Kranken geheilt hat. Oder wäre es besser zu sagen, dass wir voller Verwunderung feststellen, dass er Kranke geheilt hat. Hören wir doch täglich davon, wie mit dem unproduktiven Leben umzugehen sei.
Vor einigen Tagen war ich wiedereinmal in Branitz bei unserem Prälaten Nathan. Wie Ihr alle meine lieben Gemeindemitglieder wisst, ist dort in Branitz die Heil- und Pflegeanstalt. Überall in der Stadt sind werden Flugblätter der Partei verteilt, in denen von den Kranken die rede ist. Unser Heiland hätte diese Blätter einmal lesen sollen, denn dort heißt es, dass die Kranken Schädlinge am Volksvermögen seien. Sie essen uns nur die Haare vom Kopf und bringen keine Leistungen für die Volkswirtschaft. Da hätte unser Heiland lesen können, dass es für die Reinhaltung der Rasse und des Blutes besser sei jenes unproduktives Leben auszumerzen.
Doch unser Heiland, was hat er getan, er hat die Dämonen aus dem Kranken verjagt. Er will nicht das Ausmerzen, er will die Heilung, er will, dass wir uns einander annehmen.
Der Löwe von Münster, Kardinal von Galen sagte in seiner Predigt in der St. Lambertikirche hierzu:
"Wenn man den Grundsatz aufstellt und anwendet, dass man den unproduktiven Menschen töten darf, dann wehe uns allen, wenn wir alt und altersschwach werden! Wenn man die unproduktiven Menschen töten darf, dann wehe den Invaliden, die im Produktionsprozess ihre Kraft, ihre gesunden Knochen eingesetzt, geopfert und eingebüßt haben! Wenn man die unproduktiven Mitmenschen gewaltsam beseitigen darf, dann wehe unseren braven Soldaten, die als schwer Kriegsverletzte, als Krüppel, als Invaliden in die Heimat zurückkehren!"
Liebe Gemeindemitglieder von Strandorf, aus meiner Heimatgemeinde in Ruppach habe ich gehört, wie nachts die Viehwaggons auf dem Bahnhof stehen und zur Weiterreise warten. Ihr Ziel ist Hadamar eine Anstalt. Aber in den Zügen ist kein Vieh. In den Zügen sind Menschen, Alte, Frauen und Kinder. Sie schreien, denn sie wissen, was es heißt zur Endlösung zu kommen.
Nein, unser Heiland sah die Lösung in der Lösung von der Krankheit. Wir Christen dürfen dies nicht zulassen. Wenn wir schweigen, dann werden wir krank und eines Tages selbst einmal ausgemerzt.
Liebe Gemeinde, lasst uns nocheinmal auf unseren Heiland schauen. Er erkennt, dass der Kranke von vielen Dämonen besessen ist. Und er treibt sie aus. Unser Heiland und Herr sagt uns, was wir tun müssen, wir müssen gesund sein gegen die Dämonen, die in allen Ecken auf uns lauern und vor allen Dingen in unsere Köpfe wandern wollen. Es wird sicher noch eine Weile dauern, aber sind wir uns sicher, unser Herr wird auch noch diesen Dämon, der so viele in unserem geliebten Vaterlande krank macht austreiben und zum Tode bringen.
Liebe Gemeinde, betet darum, dass der Heilige Erzengel Michael den Drachen bekämpfen mag, betet darum, dass uns unsere Mutter Maria unter ihren Mantel nehme in den schweren Zeiten, die wir zu bestehen haben.
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
(Richard dreht sich um und will gehen, dann stockt einen Augenblick und geht erneut zur Kanzel. Er schaut auf den Spitzel, dann gibt er seinen Predigtext einem Messdiener)
Richard: Gib diese Predigtvorlage dem fleißigen Mitschreiber, dann kann er vergleichen, ob er sich alles richtig notiert hat.
(Richard und die Messdiener gehen ab. Der Kanzelspot geht aus. Der Spitzel verlässt die Kirche, der Spot begleitet ihn, bis er in der Kirchenmitte ist, dann geht der Spot aus. Prälat Nathan und vier Pallottiner (P. Hermann, P. Urban, Br. Baur, P. Schell) betreten die dunkle Bühne. Nathan setzt sich an den Tisch auf der linken Seite, die Pallottiner an den anderen. Der Spot erleuchtet den Tisch mit Nathan. Er schreibt etwas. Ein Klopfen ist zu hören)
Nathan: Herein!
(Richard betritt die Bühne. Er tritt an den Tisch des Prälaten)
Nathan: Ah unser werter Pater Henkes. Gelobt sei Jesus Christus.
(Er nickt und macht dabei eine Geste, dass Richard sich setzen solle. Dieser setzt sich)
Richard: In Ewigkeit Amen.
Nathan: Was führt sie zu mir.
Richard: Der Pater Provinzial schickt mich. Seit dem die Klosterschulen aufgelöst sind einige unserer Patres ohne Beschäftigung. Sie wissen ja was das zu bedeuten hat.
Nathan: Ja sicher, ab an die Front. Jeder Mann wird gebraucht.
Richard: Und deswegen bin ich hier. In ihrem Teil des Bistums wird doch auch jeder Priester gebraucht. Es geht um Pater Gauchel. Wenn Sie ihn anfordern, wird ihn der Provinzial Ihnen zuteilen und er muss nicht an die Front.
Nathan: Das werde ich doch gerne tun. Gleich morgen wird das entsprechende Schreiben an ihren Provinzial gehen. Es ist ja sehr rührend, wie Sie sich um Ihre Mitbrüder kümmern. Treffen Sie sie denn auch hin und wieder?
Richard: Gewiss doch dank Ihrer Vermittlung sind wir jetzt mit zehn Pallottinern hier in der Seelsorge. Der Provinzial bat mich, ein Auge auf meine Mitbrüder zu haben. Wir kommen bei jedem Namenstag zusammen. Das nächste mal wird mein Namenstag sein.
Nathan: Ah richtig, der ist ja in bälde. Da freut es mich, dass ich Ihnen so nahe an ihrem Namenstag eine Freude machen kann.
(Nathan deutet auf die Marienstatue. Richard schaut sie an)
Richard: Ist sie das?
Nathan: Ja, sie stammt aus dem Salvartorianerkloster von Jägerndorf. Der Prior hat sich zwar anfangs sehr dagegen gesträubt, aber dann doch sein Einverständnis gegeben. Auch sie wird mich morgen verlassen und geht auf direktem Wege nach Dachau. Die SS hat jetzt endlich zugestimmt, so dass sie in der Kapelle im KZ aufgestellt werden kann.
Richard: Oh, da werden sich die Priester aber sehr freuen. Wenn ich ihr doch nur Grüße mitgeben könnte.
Nathan: Sie wird sie bestimmt auch so mitnehmen. Und eine herzliche Bitte habe ich noch an Sie. Ich brauche Sie doch hier. Passen Sie auf sich auf. Ich will nicht, dass sie die Marienstatue schon sehr bald wiedersehen müssen.
Richard: Davor mag der Herrgott mich bewahren, aber die Wahrheit werde ich dennoch nicht verschweigen.
(Richard steht auf. Beide reichen sich die Hände)
Nathan: Grüßen Sie mir Ihre Mitbrüder, wenn Sie sie an Ihrem Namenstag sehen.
(Richard geht von der Bühne. Der Spot geht aus. Alfons Foit betritt humpelnd mit einer Krücke die Bühne. Er stellt sich an den vorderen Bühnenrand. Der Spot geht auf ihn. Frau Hedwig Buhl betritt die Bühne und kommt auf ihn zu)
Buhl: Guten Tag, Herr Foit, was ist denn mit Ihnen geschehen.
Foit: Ja Frau Buhl, das bringt der Krieg mit sich. Durch die Verletzung am Bein kann ich mein Studium fortsetzen. Ich weiß nicht, was das größere Übel ist, ein Invalid zu sein oder an die Front zu müssen. Ich habe Semesterferien und wollte Pater Henkes besuchen. Ist er denn zu Hause.
Buhl: Da haben Sie aber großes Glück. Er ist ständig unterwegs der Gute. Was er selbst entbehren kann, bringt er zu seinen Mitbrüdern. Wir sind schon reich besegnet, dass er unser Pfarrer hier in Strandorf geworden ist. Der kann predigen, das sage ich ihnen. Aber er tut ja auch, was er sagt. Erst vor kurzem hat er Frau Rother, die Mutter von unserem Arzt, ein Jude, nach Branitz in Sicherheit gebracht. Gehen Sie nur hinein, der sitzt bestimmt in der Stube und schreibt Briefe an unsere Soldaten.
(Hedwig Buhl geht ab. Alfons Foit geht ein Stück weiter. Der Gestapo-Beamte betritt die Bühne. Er geht auf Foit zu)
Foit: Sie hier in Strandorf?
Gestapo: Ja ganz recht. Ich habe hier meine Aufgabe. Überall sind die Volksverräter am Werke. Und der Hetzpater der ist auch einer von ihnen, dafür ist er jetzt der nächste, der an der Reihe ist. Heil Hitler.
(Der Gestapo-Beamte hebt den rechten Arm und verlässt die Bühne)
Foit: Oh mein Gott, ich muss zu Pater Henkes.
(Alfons Foit geht ab. Der Spot geht aus. Richard betritt die Bühne und setzt sich an den Tisch zu den Pallottinern. Diese unterhalten sich miteinander. Der Spot geht auf sie)
Pater Schell: Richard, nochmals vielen Dank für die Einladung zu deinem Namenstag. Es war ein schönes Fest. Nun laßt uns aber gehen, jeder von uns hat noch einen weiten Heimweg und bald wird es dunkel. Wir sehen uns morgen ja schon wieder im Deutschherrenhaus und du Richard wirst uns den Vortrag halten. Sicher brauchst du ja auch noch etwas Zeit, um dich vorzubereiten.
(Alle stehen auf und geben Richard die Hand)
Pater Schell: Richard, du warst heute so still. Bedrückt dich etwas?
Richard: Ich muss morgen zur Gestapo. Wenn ich morgen nicht zu euch komme, dann komme ich nicht mehr wieder, dann wisst ihr bescheid.
Pater Schell: Sag doch so etwas nicht. Lass den Kopf nicht hängen und: "Bis morgen!"
(Die vier gehen ab. Richard dreht sich mit dem Blick zur Kirche an den Rand der Bühne. Er schaut vor seine Füße)
Richard: Wie soll das weitergehen; kann ich den Weg weitergehen; schaff' ich es?
(Aus der Ferne klingt sehr leise die Melodie des Liedes "Folgen". Richard hebt den Kopf. Die Musik wird lauter. Er stimmt ein und singt den Refrain, die erste Strophe und erneut den Refrain (im Refrain ja, ich werde dir anstatt: komm, wir wollen ihm / Ich gehe anstatt: Wir gehen). Die Melodie wird weiter gespielt)
(Danach betritt Hedwig Buhl die Bühne. Sie hat ein Rochett in der Hand und übergibt es ihm. Prälat Nathan steht auf. Er trägt die Stola in der Hand und legt sie Richard um. Beide begleiten Richard bis zur Kanzel. Der Spot begleitet sie. Als Richard die Kanzel betritt, gehen Hedwig Buhl und Prälat Nathan ab. Die Melodie verstummt)
Richard: Liebe Gemeinde,
der Evangelist Lukas schreibt: Und wenn ihr von Kriegen und Unruhen hört, lasst euch dadurch nicht erschrecken! Denn das muss als erstes geschehen; aber das Ende kommt noch nicht sofort. Dann sagte er zu ihnen: Ein Volk wird sich gegen das andere erheben und ein Reich gegen das andere. Es wird gewaltige Erdbeben und an vielen Orten Seuchen und Hungersnöte geben; schreckliche Dinge werden geschehen, und am Himmel wird man gewaltige Zeichen sehen. Aber bevor das alles geschieht, wird man euch festnehmen und euch verfolgen. Man wird euch um meines Namens willen den Gerichten der Synagogen übergeben, ins Gefängnis werfen und vor Könige und Statthalter bringen. Dann werdet ihr Zeugnis ablegen können. Nehmt euch fest vor, nicht im voraus für eure Verteidigung zu sorgen; denn ich werde euch die Worte und die Weisheit eingeben, so dass alle eure Gegner nicht dagegen ankommen und nichts dagegen sagen können. Sogar eure Eltern und Geschwister, eure Verwandten und Freunde werden euch ausliefern, und manche von euch wird man töten. Und ihr werdet um meines Namens willen von allen gehasst werden. Und doch wird euch kein Haar gekrümmt werden. Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen.
Ich frage Euch, liebe Gemeinde von Strandorf, was ist in der Welt los? Ist es eingetreten, was der Evangelist sagt. Sind wir am Ende der Welt?
Sicher ist, dass der Satan sein Unwesen treibt. Wenn auch nicht als der Gehörnte auftritt, so dann doch in Uniform und dies in einer braunen. Vieles hat die Welt erlitten und vieles wird die Welt noch erdulden müssen, aber eines lasst Euch zugesagt sein. Alles Leiden wird nichts bedeuten, denn das Reich des Satans wird fallen. Gott wird die belohnen, die alles für die Wahrheit eingesetzt haben. Gott wird alles gut machen.
Doch nehmt Euch in acht. Die Reiche des Bösen lauern zu allen Zeiten und an allen Orten. Sehr leicht nimmt es auch Euch gefangen. Lassen wir uns nochmals vom Evangelisten sagen: Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen. Amen.
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
(Richard verlässt die Kanzel. Zwei Gestapo-Beamte betreten die Bühne. Als Richard die Bühne betritt legen sie ihm Fesseln an und führen ihn durch den Mittel gang der Kirche ab. Der Spot begleitet sie und geht danach aus. Ein Postbote ruft aus dem Kirchenschiff)
Postbote: Frau Buhl, Post für sie.
(Frau Buhl betritt die Bühne. Der Spot geht auf sie. Der Postbote kommt durch das Kirchenschiff. Er hat einen Brief in der Hand)
Postbote: Ein Brief für sie von unserem Pfarrer. Was schreibt er denn?
(Frau Buhl öffnet den Brief)
Frau Buhl: Es wird Dich interessieren, wie es mir geht. Bis heute bin ich in Einzelhaft, das reißt sehr an die Nerven, aber trotzdem bin ich seelisch und körperlich gesund. Außer zweimal in der Woche kann ich jeden Tag zur heiligen Kommunion gehen, und das ist mir ein großer Trost, und seit ein paar Tagen darf ich zur Arbeit wenigstens in eine andere Halle gehen, wo ich mich unterhalten kann. Aber ein Kreuzweg bleibt es trotzdem. Am Anfang habe ich noch um meine Freiheit gebetet, jetzt habe ich mich durchgerungen, und wenn ich auch ins Lager müsste, dann werde ich genauso Deo gratias sagen wie bei meiner Verhaftung. Schließlich muss ich ja wahrmachen können, was ich anderen in Exerzitien gepredigt habe. Bis heute hat der Herrgott mich sichtlich beschützt; darum habe ich auch keine Angst vor der Zukunft. Gott wird mir auch weiterhin seine Gnade geben. Meine Akten liegen zur Entscheidung in Berlin. Ich habe das Meinige getan, und auch draußen hat man sich auch mit allen Mitteln um mich bemüht, aber man weiß ja heute nicht, wo man dran ist, man ist der Willkür der Menschen ausgeliefert, und so hat bloß das eine noch Sinn, sich radikal dem Herrgott zu überantworten. Es wird ja für alle, die mir einmal anvertraut waren, nicht zwecklos sein, dass ich den Weg für sie gehe. Es liegt ja in der Zeit, dass wir Priester heute dem Heiland nach Getsemani folgen und vielleicht auch nach Golgota.
Das will ich Dir noch sagen, ich bin nicht hier, weil ich vielleicht zu scharf gewesen bin, sondern ich bin wirklich ein Opfer meines Berufes geworden. Sonst wäre all dies hier nicht auszuhalten. Übermorgen, am 26., habe ich Geburtstag, da denke einmal besonders an mich. Bete nur darum, dass der Herrgott mir weiter Kraft gibt.
Hoffentlich geht das nur gut. Guter Gott bewahre ihn vor dem Lager.
(Der Vorhang geht auf. Auf der hinteren Bühne ist Anna Henkes. Hedwig Buhl geht ab. Der Postbote geht zur hinteren Bühne. Der Spot begleitet ihn. Stillschweigend übergibt er ihr einen weiteren Brief. Sie macht ihn auf und gibt ihn zurück)
Anna: Ließ ihn mir doch bitte vor.
Postbote: Liebe Mutter!
Am letzten Tage, wo ich hier bin, will ich Euch doch ein paar Zeilen schreiben. Am Sonnabend geht es nach Dachau. Wie alles gekommen ist, hat Hugo Euch ja erzählt. Er kann Euch auch erzählen, wie angesehn ich hier in der ganzen Gegend bin. Ein klein bisschen dürft Ihr darauf stolz sein. Bisher bin ich den Weg des freudenreichen Rosenkranzes gegangen. Wenn ich bisher auf der Kanzel oder im Vortragssaal stand, dann war das viel freudiges Priesterwirken. Und wenn Ihr liebe Mutter jetzt oft vor dem Kreuze den schmerzhaften Rosenkranz betet, dann denkt daran, dass ich mit dem Heiland diesen Weg gehe. Das ist für einen Priester keine Schande. Ob ich den glorreichen Rosenkranz noch auf Erden oder im Himmel erlebe, überlasse ich dem lieben Gott. Für all Eure Liebe habt vielen Dank. Ich werde Euch nie vergessen und im Gebete finden wir uns immer wieder.
In Gottes Namen und herzliche Grüße. Euer dankbarer Sohn Richard.

Im Dachauer Moor
(Der Spot geht aus. Der Vorhang geht zu. Sehr leise hört man von der Empore in tiefen Männerstimmen den Refrain des Liedes "Moorsoldaten". Der Refrain nach einer kleinen Pause immer wieder wiederholt, wobei die Stimmen lauter werden)

Wohin auch das Auge blicket, Moor und Heide nur ringsum
Vogelsang uns nicht erquicket, Eichen stehen kahl und krumm
Hier in dieser öden Heide ist das Lager aufgebaut
Wo wie fern von jeder Freude hinter Stacheldraht verstaut
Morgens ziehen die Kolonnen in das Moor zur Arbeit hin
Graben bei dem Brand der Sonnen, doch zur Heimat steht der Sinn
Heimwärts, heimwärts, jeder sehnet sich nach Eltern, Weib und Kind
Manche Brust ein Seufzer dehnet, weil wir hier gefangen sind
Auf und nieder geh’n die Posten, keiner, keiner kann hindurch
Flucht wird nur das Leben kosten, vierfach ist umzäunt die Burg
Doch für uns gibt es kein Klagen, ewig kann’s nicht Winter sein
Einmal werden froh wir sagen: Heimat, du bist wieder mein
Ref: Wir sind die Moorsoldaten und ziehen mit dem Spaten ins Moor

(Zwischen den einzelnen Wiederholungen wird eine Litanei von Namen derer, die in Dachau gestorben sind vorgelesen)
Zoch – Tadeus den Strapazen – erlegen
Olszewsky – Adam vor Hunger – gestorben
Alef – Alexander durch Versuche – getötet
Hofmann – Franciszek zum Vergasen – geschickt
Spanlagn – Matthias im Bunker – erhängt
Hirschfelder – Gerhard den Strapazen – erlegen
Spix – Walter vor Hunger – gestorben
Höffert – Johann durch Versuche – getötet
Michalewski – Jan zum Vergasen – geschickt
Eise – Albert der Krankheit – erlegen
Servais – Edmond den Strapazen – erlegen
Schulert – Kazimierz vor Hunger – gestorben
Sewillo – Stanislaw durch Versuche – getötet
Hanusch – Emanuel zum Vergasen – geschickt
Spieß – Anton durch Typhus – gestorben
Ziegler – Jakob den Strapazen – erlegen
Hackenthal – Christian vor Hunger – gestorben
Feuerstein – Heinrich durch Versuche – getötet
Stoffels – Josef zum Vergasen – geschickt
Mersmann – Alfons beim Transport – erschossen
Cal – Josef den Strapazen – erlegen
Grabowski – Mateus vor Hunger – gestorben
Maring – Albert durch Versuche – getötet
Radkowski – Ignacy zum Vergasen – geschickt
Unzeitig – Hubert bei der Pflege – gestorben
(Ebenso kommen typische KZ-Geräusche über Band zu Gehör. Zur gleichen Zeit wird auf der Bühne das KZ aufgebaut. Die Kanzel (das Gerüst) wird in einen Wachturm umgewandelt. Ein SS-Soldat nimmt darauf Stellung. Am rechten Bühnenrand wird ein und in der mittleren Bühnenrand werden zwei Posten im Abstand von zwei Metern aufgestellt. Ein Stacheldrahtzaun wird von Posten zu Posten gezogen. Zwischen Kirche und Bühne ist nun ein Zaun gespannt, der nur in der Mitte er eine so große Lücke aufweist, welche als Eingang dienen kann. Über dem Eingang hängt die Schrift: Arbeit macht frei. Am Vorhang werden die Außenfassaden von zwei Häftlingsbaracken aufgestellt, eine links, die andere rechts. In den Baracken sind Türen, die geöffnet werden können. Zwischen den Baracken ist ein vier Meter breiter Zwischenraum. Hinter dem Vorhang wird Papier (evtl. mit nassem Gras verbrannt) so dass ein übler verbrannter Geruch die gesamte Kirche durchzieht. Wenn der größte Teil der Szene soweit aufgebaut ist und die Männerstimmen eine laute Singlautstärke erreicht haben, singen sie die Strophen. Die Bühne wird beleuchtet. Nach der letzten Strophe zieht eine Gruppe von KZ-Häftlingen durch den Mittelgang in das KZ. Sie werden von zwei SS-Soldaten geführt (einer am Zuganfang, einer am -ende). Die Häftlinge singen den Refrain mit. Der Refrain wird solange wiederholt, bis die Kolonne hinter dem Zaun ist. Dort stellt sie sich zum Zählappell auf. Das Kommando zählt durch. Ein Capo gibt denn SS-Soldaten durch)
Capo: Alle vollzählig.
SS-Soldat 1: Abtreten.
(Der Capo wendet sich an das Kommando)
Capo: Alle abtreten.
(Das Kommando geht durch die Türen der Baracken (Blocks) ab. Die SS-Soldaten bleiben stehen. Durch den Mittelgang führen die zwei Gestapo-Beamte Richard in das KZ)
SS-Soldat 2: Ah, da bringen sie wieder noch einen Pfaffen mehr. Jetzt sind schon über eineinhalb Tausend von denen. So manch ein Bischof wird noch froh sein, wenn er so viele von den Pfaffen unter sich hätte. Mal sehen, was der da ausgefressen hat.
Gestapo: Wir haben hier eine Überstellung für Euch.
(Einer der Gestapo-Beamten übergibt einem SS-Soldaten ein Schreiben. Dieser ließt es)
SS-Soldat 1: Wegen volksaufwiegelnden Predigten für die Zeit des Krieges in Schutzhaft. Na Pfaffe, du wirst den Endsieg schon noch oft genug herbeisehnen. Wie heißt du?
Richard: Ich bin Pater Richard Henkes.
SS-Soldat 1: Merke dir eines. Bis heute warst Du das. Ab heute bist du Nr. 49 642. Also, wie heißt Du?
Richard: Mein Name ist Richard Henkes, ich bin Pallottinerpater.
(SS-Soldat 2 schlägt ihm in den Bauch, so dass er sich krümmt)
SS-Soldat 1: Wie heißt du?
Richard: Ich habe es schon gesagt, ich heiße Pater Richard Henkes.
(SS-Soldat 2 schlägt erneut in den Bauch. Richard krümmt sich erneut)
SS-Soldat 1: Wie heißt du?
Richard: Richard Henkes ist mein Name.
(SS-Soldat 2 schlägt nun öfter zu, bis Richard auf die Knie singt. SS-Soldat 1 schlägt mit einem Stock auf ihn ein. Richard steht wieder auf und hält sich den Bauch)
SS-Soldat 1: Wie heißt du?
Richard: Richard heiße ich, so wie mich meine Mutter genannt hat.
(SS-Soldat 1 und 2 schlagen erneut auf ihn ein, bis er am Boden liegt)
SS-Soldat 1: Wie heißt du?
Richard: Ich heiße 49 642.
(SS-Soldat 1 und 2 treten auf ihn ein)
SS-Soldat 1: Ich frage dich zum letzten mal. Wie heißt du?
Richard: Ich habe keinen Namen mehr, ich bin nur noch die Nummer 49 642.
SS-Soldat 2: Na also und nun merke: Die Meilensteine unseres Lagers sind: Gehorsam, Fleiß, Ehrlichkeit, Ordnung, Sauberkeit, Nüchternheit, Wahrhaftigkeit, Opfersinn, und Liebe zum Vaterland. Und wenn Du hier unbedingt raus willst, kannst Du jederzeit gehen. Der Weg durch den Schornstein steht dir immer offen. (er ruft) Capo!
(Der Capo schaut zur Tür heraus)
SS-Soldat 2: Bringe ihm die Sachen. Er kommt in euren Block bis die Quarantänezeit vorbei ist.
(Der Capo bringt KZ-Kleidung mit. Er hilft Richard aufzustehen und die Soutane auszuziehen. Ein anderer Häftling kommt mit einem Eimer und einem Stock an dem ein alter Lappen hängt. Er taucht den Lappen in den Eimer und schmiert Richard mit einer Flüssigkeit ein. Ein weiterer Häftling kommt und schneidet ihm mit einem Kurzhaarschneider die Haare kürzer. Die SS-Soldaten gehen mit der Soutane ab. Richard rafft die KZ-Kleidung auf und verschwindet von dem Capo gestützt in der einen Baracke. Ein Junge in KZ-Kleidung betritt die Bühne. Er schaut ängstlich um sich. Ein Häftling kommt aus einer Baracke und winkt ihm zu)
Häftling: Schnell Kleiner, versteck dich.
(Der Junge verschwindet in der Baracke. Die zwei SS-Beamten betreten die Bühne. Einer von ihnen bleibt auf der Bühne stehen, der andere geht zuerst in die rechte Baracke, und kommt mit einigen Häftlingen heraus, dann geht er in die andere Baracke und kommt ebenso mit einigen Häftlingen auf die Bühne, darunter ist auch der Junge. Alle Häftlinge haben ein kleines Bündel eingewickelt in eine Decke in ihrer Hand. Der Junge schaut sehr ängstlich um sich. Ein älterer Häftling nimmt ihn an sich)
Häftling: Komm her Kleiner, wir schaffen das schon, du bleibst einfach bei mir.
(Die Häftlinge gehen mit den SS-Soldaten durch den KZ-Eingang durch den Mittelgang ab. Pater Allebrod kommt in KZ-Kleidung aus der einen Baracke, Richard aus der anderen)
Pater Allebrod: Richard, mein Gott, du auch noch!
Richard: Eduard!
(Beide fallen sich in die Arme. Richard verzieht das Gesicht und hält sich den Bauch)
Pater Allebrod: Was ist los mit dir?
Richard: Sie haben mich zusammengeschlagen, mir tut alles weh, aber das wird schon wieder.
Pater Allebrod: Eigentlich habe ich mir das ja schon gedacht, dass es dich auch noch treffen wird. Aber du konntest ja auch noch nie eine Hand vor den Mund nehmen. Seit wann bist Du hier?
Richard: Ich bin ganz frisch eingetroffen. Aber erzähle, was war denn das eben für eine Aktion?
Pater Allebrod: Oh du meinst den Invalidentransport. Jeder der kein Arbeitskommando hat, der kommt auf Invalidentransport, daß heißt die werden nach Hartheim bei Linz abtransportiert. Dort wartet die Gaskammer auf sie. Wer hier keine Arbeit hat, der lebt nicht mehr lange. Hast du schon ein Arbeitskommando?
Richard: Nein, was ist das.
Pater Allebrod: Oh du wirst noch sehr viel lernen müssen. Hier gibt es allerlei sinnvolle und unsinnige Arbeitskommandos. Da sind die Strümpfestopfer oder die in der Fabrik, da sind die im Postkommando oder jene in der Plantage. Ich werde gleich morgen zusehen, dass ich dir ein Arbeitskommando in der Plantage besorge. Das ist zwar harte Arbeit draußen auf den Feldern, aber dann bist du erst einmal unter. Später wird sich schon noch etwas besseres finden. Und wenn deine Quarantänezeit vorbei ist, dann kommst du auch auf unseren Block, dann wird es dir besser ergehen.
Richard: Was heißt unser Block?
Pater Allebrod: Wir haben hier einen Block nur mit Geistlichen. In dem Block, in dem du jetzt untergebracht bist, da sind alle möglichen Häftlinge zusammen und da herrschen rauhe Sitten. Die Capos sind am schlimmsten, sie sind auch Häftlinge, aber sind die Lagerpolizei. Die sind zum Teil schlimmer als die SS. Noch vor einem Jahr sind hier die Häftlinge gestorben wie die Schmeissfliegen. Aber zum Glück ist es erlaubt, dass wir jetzt Pakete von zu Hause erhalten dürfen. Ohne die wären wir wohl alle schon verhungert. Wenn du bei uns bist, dann kannst Du auch in die Lagerkapelle. Jeden Morgen um 5.00 Uhr feiern wir die Messe. Stell dir vor, vor kurzem traf eine Madonna für die Kapelle ein. Kannst du dir vorstellen von wem die kam?
Richard: Lass mich raten: Von Prälat Nathan?
Pater Allebrod: Oh Richard, wenn du da nicht deine Finger im Spiel hattest. Komm jetzt bringe ich dich erst mal zu den anderen, die sind bestimmt auf dem Exerzierplatz. Da hält Pater Kentenich am Rande vom Fußballspiel seine Vorträge.
Richard: Ja ich hatte es schon gehört, dass Pater Kentenich auch hier ist. Aber sag, was ist das hier eigentlich für ein Geruch?
Pater Allebrod: Daran wirst du dich ganz schnell gewöhnen, die Toten von gestern die werden verbrannt. Aber du riechst auch nicht gerade nach Eau de Cologne, haben sie dich mit dieser Desinfektionslösung eingeschmiert? Das beißt noch drei Tage, sag ich dir. Aber jetzt komm.
(Pater Allebrod stützt Richard und sie gehen ab. Das Licht geht aus. An den Vorhang werden Dias von Dachau geworfen. Das Licht geht an. Aus den Baracken kommen Häftlinge. Unter ihnen auch Richard. Sie stellen sich zum Zählappell auf. Der Capo zählt die Reihen durch. In einem günstigen Augenblick greift Richard in eine Tasche. Er holt eine Dose hervor und öffnet sie. Er holt eine kleine Hostie heraus und reicht sie seinem Nachbarhäftling)
Richard: Corpus christi.
Häftling: Amen.
(Zwei SS-Soldaten kommen und führen die Häftlinge durch den Mittelgang ab. Die Gruppe singt dabei den Refrain des Liedes "Wir sind die Moorsoldaten". Das Licht geht wieder aus und weitere Dias werden gezeigt. Danach wird die Bühne wieder beleuchtet. Aus einer Baracke kommen Richard und kurz darauf Pfarrer Beran)
Richard: Guten Tag Pfarrer Beran. Wie geht es Ihnen.
Beran: Mich quält mein Rheuma, aber sonst geht es. Sie arbeiten nicht mehr auf der Plantage?
Richard: Nein ich habe eine Stelle im Postkommando bekommen. Das ist keine so harte Arbeit und ich habe den Überblick, wer von den Häftlingen keine Pakete geschickt bekommt. Da kann ich schon viel eher nützlich sein als auf den Feldern.
Beran: Ja, Sie sind ja auch einer von denen, die ihre eigenen Pakete an die aufteilen, die gar nichts bekommen. Ich könnte Sie schon sehr gut gebrauchen.
Richard: Lassen Sie es mich wissen, wenn ich bei Ihnen ein Arbeitskommando haben kann. Sagen Sie, würden Sie mir, wenn es Ihre Zeit erlaubt Ihre Muttersprache beibringen?
Beran: Warum wollen Sie den tschechisch lernen?
Richard: Ich will nach dem Krieg wieder zurück nach Strandorf in meine alte Pfarrei. Diese grenzt direkt an die Tschechei und viele in meiner Gemeinde sprechen tschechisch.
Beran: Dann wollen wir gleich heute abend anfangen.
(Beide gehen ab. Wieder wird es dunkel und weitere Dias werden gezeigt. Die Bühne wird wieder beleuchtet. Pater Allebrod und Richard kommen aus einer Baracke, sie schleppen eine Leiche auf die Bühne)
Richard: Oh das arbeiten im Postkommando war angenehmer. Bei all den Leichen muss man aufpassen, dass man sich nicht selbst noch den Tod holt.
Pater Allebrod: Du sagst es. Und nun ist auch noch der Typhus ausgebrochen. Es ist ja auch kein Wunder. Täglich treffen hunderte von neuen Häftlinge ein. Aber es wird wohl etwas gutes heißen, dass die ein KZ nach dem anderen evakuieren und die Häftlinge hierher bringen. Richard, die Front rückt näher. Wir haben es bestimmt bald geschafft.
Richard: Nun lass uns aber unsere Arbeit tun. Wenn nachher der nächste Transport eintrifft, will ich nicht wissen, wieviel Leichen in den Zügen sind, die wir heute zum Krematorium bringen müssen.
(Beide gehen ab und schleppen die Leiche mit sich. Das Licht geht aus und abermals Dias. Danach wird die Bühne wieder beleuchtet. Richard und Beran betreten die Bühne. Ein SS-Soldat tritt hinzu)
SS-Soldat 1: Pater Henkes wir benötigen noch die aktuelle Liste vom Tschechenblock. Ich erwarte sie heute mittag von Ihnen.
(Er geht ab)
Beran: Was war denn das? Er hat Sie beim Namen genannt und das 'du' war auch garnicht zu hören. Das bedeutet gutes. Es wird jetzt nicht mehr lange dauern, da bin ich mir sicher. Die Front rückt näher.
Richard: Das ist richtig, aber auf der anderen Seite wird die Lage immer schlimmer. So viele Häftlinge waren noch nie auf einmal hier im Lager und täglich kommen neue hinzu. Seitdem wir keine Pakete mehr erhalten dürfen, gibt es kaum noch einen, der nicht hungert. Und im Tschechenblock grassiert auch noch eine Typhusepidemie. Sie sterben wie die Fliegen. Nicht einmal die SS schickt jemanden zur Pflege hinein. Wenn sich da niemand freiwillig findet, kann man das nicht mehr sterben nennen. Dann verrecken die dadrin. Es ist keiner da, der ihnen die Wunden verbindet, keiner, der die Toten aus den Baracken schafft, keiner, der den Dreck wegmacht, in dem die Erreger sitzen und schon gar keiner, der Beistand gibt und bei den sterbenden ist.
Beran: Aber in die Typhusblocks zu gehen, das käme einem Todesurteil gleich.
Richard: Da muss sich aber doch etwas tun.
Beran: Pater Henkes ich bitte Sie, passen Sie auf sich auf.
(Beran geht ab. Richard schaut auf den Boden. Er kniet sich hin)
Richard: Was soll ich bloß tun? Die Front steht vor der Tür. Es sind nur noch Wochen bis zur Befreiung. Oh Herr, hilf mir, eine Entscheidung zu treffen.
(Aus der Ferne klingt sehr leise die Melodie des Liedes "Folgen". Richard hebt den Kopf. Die Musik wird lauter. Er stimmt ein und singt den Refrain, die dritte Strophe und erneut den Refrain (im Refrain ja, ich werde dir anstatt: komm, wir wollen ihm / Ich gehe anstatt: Wir gehen). Die Melodie wird weiter gespielt. Aus der Baracke kommen mehrere Häftlinge, unter ihnen auch Beran, Allebrod und Kentenich. Sie stellen sich in einem großen Halbkreis um Richard. Richard steht auf und reiht sich ein. Einer der Häftlinge, Dekan Schelling, erhebt das Wort an die anderen)
Schelling: Was ich tue, das tue ich nur äußerst ungern. Ihr alle wisst, wie nahe das Kriegsende ist. Es wird nicht mehr lange dauern, bis wir aus dem Stacheldraht draußen sind und dennoch sind die Zustände in dem Tschechenblock so grausam, dass wir es als unsere Christenpflicht ansehen müssen, zu helfen. Ein jeder, der sich zu dem Schritt entschließt weiß, was er auf sich nimmt, denn die Gefahr sich mit dem Typhus anzustecken, ist immens. Wenn es unter Euch Freiwillige gibt, dann seid Euch bewusst, dass unser ganzer Stolz und vor allem unser inständiges Gebet mit Euch sein wird. Wer von Euch die große Kraft hat, Christus bis in das letzte nachzufolgen, denn bitte ich, sich freiwillig zu melden, für die Pflege an diesen Ärmsten unter uns.
(Einige der Häftlinge verlassen durch die Mitte hindurch den Halbkreis und gehen in den Block. Auch Richard macht anstanden, zu gehen. Pater Allebrod hält seinen Arm fest)
Pater Allebrod: Richard!
Richard: Lass mich, ich muss es tun.
(Richard geht auch in den Block)
Schelling: Lasst uns jede freie Minuten in den nächsten Wochen für sie beten.
(Schelling geht durch die Mitte ab. Die anderen Häftlinge folgen ihm. Der Typhusblock wird mit dem Spot angeleuchtet. Das Bühnenlicht geht aus. Der Spott wird immer kleiner, bis er nur noch die Tür des Blocks erhellt. Vom Bühnenhintergrund spricht Richard)
Richard:
Wenn ich groß bin, baue ich auch an der Kirche. (Pause)
Aut Caesar - aut nihil. Entweder alles - oder nichts (Pause)
Ad sum - ich bin bereit. Ich will den Weg gehen (Pause)
So hat bloß das eine noch Sinn, sich radikal dem Herrgott zu überantworten. Es wird ja für alle, die mir einmal anvertraut waren, nicht zwecklos sein, dass ich den Weg für sie gehe. Es liegt ja in der Zeit, dass wir Priester heute dem Heiland nach Getsemani folgen und vielleicht auch nach Golgota. (Pause)
Das will ich Dir noch sagen, ich bin nicht hier, weil ich vielleicht zu scharf gewesen bin, sondern ich bin wirklich ein Opfer meines Berufes geworden. Sonst wäre all dies hier nicht auszuhalten. (Pause)
Wenn ich morgen nicht zu euch komme, dann komme ich nicht mehr wieder, dann wisst ihr bescheid. (Pause)
Stimme: Richard, jetzt bist Du am Ziel, jetzt darfst Du stillestehn.
(Der Spot geht vollends aus. Einen Moment bleibt alles in der Dunkelheit. Aus einem Block kommt P. Allebrod mit einer brennenden Kerze in der Hand)
Pater Allebrod: Oh Gott, kann es denn wirklich sein.
(Pater Allebrod geht zwischen die beiden Blocks und öffnet eine hintere Bühne, indem er den Vorhang, welcher in der Mitte einen Schlitz hat, zuerst zur rechten Seite öffnet und festhängt, danach die andere Seite zur linken. Die hintere Bühne ist beleuchtet. Mehrere tote Körper liegen aufeinander. Pater Allebrod greift nach Richard und zieht ihn aus dem Leichenhaufen heraus. Der Spot leuchtet auf sie. Richard hat auf dem Körper in großer blauer Schrift seine Häftlingsnummer stehen. Der Bauch ist voller Blut und mit Draht beklebt. Pater Allebrod zieht die Leiche zwischen die beiden Blocks. Der Spot folgt. Das Licht auf der hinteren Bühne wird gelöscht. Aus dem Block tritt Pater Kentenich)
Pater Kentenich: Mein Gott, was haben sie mit Richard gemacht.
Pater Allebrod: Sie haben ihm den Bauch aufgeschnitten, um nachzusehen, dass er keine Wertgegenstände verschluckt hat und dann haben sie ihm den Bauch wieder mit Draht zugebunden.
Pater Kentenich: Lass uns den Leichnam aussegnen.
(Pater Kentenich macht ein Kreuz auf Mund und Ohren)
Pater Kentenich: Gott segne deinen Eingang und dienen Ausgang. Er segne dienen Anfang und dein Ende. Gott nehme dich auf in seine Herrlichkeit.
(Eine Schola im Hintergrund singt das Lied: "Zum Paradiese mögen Engel dich geleiten.")
Zum Paradies mögen Engel dich geleiten
Die heiligen Märtyrer dirch begrüßen
Und dich führen in die heilige Stadt Jerusalem.

Die Chöre der Engel mögen dich empfangen,
und durch Christus, der für dich gestorben,
soll ewiges Leben dich erfreuen.

(Aus dem Block kommt ein Häftling. Er tritt hinzu. Pater Allebrod zieht ein Päckchen Zigaretten aus seiner Jacke und hält es ihm entgegen)
Pater Allebrod: Bitte verbrenne seine Leiche gesondert und lass uns die Asche zukommen.
(Pater Allebrod, Pater Kentenich und der Häftling ziehen die Leiche von Richard wieder zur hinteren Bühne. Der Spot folgt ihnen. P. Allebrod schließt den Vorhang und geht ab)
(Der Spot geht aus. Hinter dem Vorhang wird Papier (oder nasses Gras) verbrannt. Durch den Vorhang sieht man das Flackern des Feuers. Pater Allebrod, Pater Kentenich und der Häftling kommen auf die Bühne. Pater Allebrod trägt ein kleines Leinensäckchen in Händen. Der Spot erfasst sie. Alle Darsteller kommen auf die Bühne und bilden einen großen Halbkreis. Sie haben alle eine Rose in der Hand. Pater Allebrod stellt das Säcken in die Mitte des Halbkreises)
Stimme: Gott will keinen Stillstand, Ihr sollt nicht stehn, Gott will, dass Ihr ihm folgt, Ihr sollt weitergehn.
(Alle singen die drei Strophen des Liedes: "Folgen". Das Bild von Richard Henkes wird wieder auf den Vorhang geworfen)
(Danach legt jeder nacheinander seine Rose auf das Säckchen und geht durch den Mittelgang ab. Wenn alle abgegangen sind, verweilt der Spot einen Moment auf dem Rosenhäufchen und geht aus. Das Licht in der Kirche geht an)

 
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